IV. Pläne
Tränen standen in seinen Augen, als ihm klar wurde, was er ihr angetan haben musste, als er sie vor diese Wahl stellte, die den Tod ihrer Jugendliebe bedeutet hätte. Nachdem Erik das Anwesen des Vicomtes flüchtend verlassen hatte, war er sofort zu Jules geeilt und hatte ihn gebeten, ihn am Ufer der Seine unterhalb von Notre Dame aufzusuchen. Er hatte sich nun endgültig entschlossen, das Land zu verlassen, um in Amerika von vorne anzufangen, und vor allem um Christine endlich Frieden zu geben. Dort kannte ihn niemand und niemand hatte dort je von dem Phantom der Oper gehört, eine bessere Grundlage für einen Neuanfang konnte es für ihn nicht geben. Sein einziges Problem war, die Tatsache, dass er jemanden brauchte, der seine Besorgungen erledigte und seine Geschäfte nach außen für ihn vornahm. Bisher hatte das Jules getan und er wollte, dass dies auch so blieb, er vertraute ihm und er war sich sicher, dass er so schnell niemanden finden würde, der Jules´ Platz einnehmen könnte. Aber so wie er Jules´ Ehefrau kannte, würde sie einem Umzug nach Amerika, um weiter für ihn zu arbeiten auf keinen Fall zustimmen. Nur zu gut erinnerte er sich noch an die Abneigung, die sie ihm entgegenbrachte und die so deutlich hervortrat, als eines ihrer Kinder die Treppe hinuntergestürzt war und er nicht einmal hatte helfen dürfen.
Seit einer Stunde wartete Erik nun bereits darauf, das Jules kommen würde. Für gewöhnlich war er ein pünktlicher Mensch, darum befürchtete er schon, seine Frau könnte ihm verboten haben, zu ihm zu kommen. Schon oft hatte sie, selbst in seiner Gegenwart, gesagt, was sie von ihm hielt, und Erik war sich sicher, dass sie jedes Mal alles versuchte, das ihr Mann sich nicht mit ihm traf. Er wollte schon gehen, als Jules völlig außer Atem den verabredeten Ort erreichte.
"Verzeihen Sie, aber ich musste noch nach dem Arzt schicken, meine Jüngste ist auf der Treppe ausgerutscht und hat sich böse verletzt.", entschuldigte Jules seine Verspätung.
"Guten Abend. Schon gut, ich hoffe es geht ihr gut, sie scheint Treppen nicht zu mögen.", begrüßte Erik Jules und erinnerte sich, dass sie schon einmal diese enge steile Treppe herunter gefallen war.
"Oh, äh, ja, ist nur gebrochen, meinte der Arzt. Aber Sie wollten etwas mit mir besprechen, Monsieur."
"Ja, Jules, das möchte ich. Sagen Sie, könnten Sie sich vorstellen Frankreich zu verlassen, und in Amerika ein neues Leben zu beginnen?"
"Warum sollte ich nach Amerika wollen, Sie leben doch hier?", entgegnete Jules etwas verwundert und bewies damit gleichzeitig seine tiefe Loyalität gegenüber Erik.
"Nun, ich dachte, wenn Sie mit ihrer Familie nach Amerika gehen würden, hätte ich dort zumindest jemanden dem ich vertrauen kann."
"Sie, Sie wollen Frankreich verlassen und nach Amerika fahren.", kam es nun doch überrascht aus Jules´ Mund.
"Ja, ich brauche Abstand zu diesem Ort, zu Europa. In New York kennt mich niemand und ich könnte, mit ihrer Hilfe, dort wieder anfangen Häuser zu bauen, so wie früher in Belgien. Aber dazu bräuchte ich ihre Hilfe und das hieße, Sie und Ihre Familie müssten mit nach New York kommen. Was die Kosten betrifft, so bin ich gerne bereit, dafür aufzukommen."
"Das ist ein großzügiges Angebot, aber, ich weiß Sie mögen kein Nein, aber ich muss das erst mit meiner Familie besprechen. Verstehen Sie, es... .", Jules versuchte irgendwie zu erklären, dass das eine Entscheidung war, die er nicht so einfach fällen konnte.
"Schon gut, Jules. Ich verlange nicht, dass Sie sich sofort entscheiden, geben Sie mir in einer Woche bescheid, damit ich weiß ob ich nur eine Passage buchen soll, oder ob ich mehr brauche.", meinte Erik ruhig und ließ Jules allein zurück.
Jules Bernard wusste nicht, was er davon halten sollte, aber es war ihm egal, er wusste, wenn Erik gehen würde, würde er nicht mehr wissen, wie er zehn Kindermäuler stopfen, geschweige denn die Miete seines Hauses bezahlen sollte. Für ihn war die Entscheidung gefallen, aber was würde seine Frau dazu sagen. Er kannte ihre Vorbehalte gegenüber Erik nur zu gut und er ahnte, dass es nicht leicht werden würde, sie von der Idee nach New York auszuwandern, zu überzeugen.
A/N: Eine Woche später
"Ich werde das nicht zulassen?", brüllte Madame Bernard ihren Mann an, kaum, das er ausgesprochen hatte. Es war nicht das erste Mal, dass er das Thema Umzug nach New York angesprochen hatte, und jedes Mal war sie strikt dagegen gewesen. Sie verstand einfach nicht, wieso ihr Mann diesem Mann, diesem undefinierbarem Etwas so treu gedient hatte, sie traute diesem Mann nicht eine Sekunde über den Weg und war sich ziemlich sicher, dass er hinter all den Gerüchten über das Phantom der Oper steckte. Jules seufzte verzweifelt, seine Frau verstand einfach nicht, was alles davon abhing, so mal er heute Abend zu Erik und ihm ihre Entscheidung mitteilen musste. Er musste sie also jetzt überzeugen, oder den Untergang wählen.
"Bitte, so verstehe doch, es wäre eine einmalige Chance. Für uns alle."
"Nein. Ich will nicht wieder von diesem Ding abhängig sein, und das weißt du ganz genau. Ich hatte dich schon vor Jahren in Belgien vor ihm gewarnt, aber du hast ja nicht auf mich gehört, also höre wenigstens jetzt auf mich. Wir gehen nicht nach Amerika.", sagte sie kalt und schaute ihn dabei scharf an.
"Dann werde ich ihm also sagen, dass wir hier bleiben werden. Und nachdem ich das getan habe, wirst du mir erklären, wie wir zehn Kinder durchbekommen wollen.", sagte er trocken, erhob sich und wollte gerade seinen Mantel anziehen und gehen. Endlich hatte er gesagt, was er schon längst hätte sagen sollen, dass ihre ganze finanzielle Sicherheit mit ihm stand und fiel. Er wusste selber nicht, wie er es seit Fertigstellung der Oper geschafft hatte, ihr glauben zu machen, er hätte eine neue Anstellung gefunden, aber irgendwie hatte sie ihm seine Ausflüchte und fingierten Verabredungen immer wieder abgenommen. Doch nun starrte sie ihn entsetzt und fassungslos an, der ganze bescheidene Wohlstand, den sie erreicht hatten, hatten sie diesem Monster zu verdanken.
"Willst du mir damit sagen, dass all das hier, von ihm kommt.", sagte sie langsam, als könne, sie nur so die ganze Tragweite dieser Worte verstehen. Dabei deutete sie auf ihre bescheidene Wohnungseinrichtung. Betreten blickte Jules seine Frau an und nickte stumm, während seine Frau mit wirren Blick durch die Wohnung ging.
"Annette bitte, so versteh doch.", versuchte Jules noch einmal ruhig mit ihr darüber zu reden, doch sie hob nur eine Hand und bat ihn mit einer einzigen gebieterischen Geste still zu sein. Sie setzte sich an den großen Esszimmertisch und strich, über die polierte Platte.
"Du arbeitest also nicht für einen neuen Architekten, sondern für IHN.", stellte sie völlig rational fest.
"Ja, er bot mir gute Bezahlung, und alles was ich tun muss, sind Einkäufe für ihn zu tätigen.", meinte er geistesabwesend und fühlte sich befreit, jetzt wo er es ihr endlich gestanden hatte.
"Könntest du eine ähnlich gute Anstellung hier in Paris finden?", fragte sie, als könne sie so, die unausweichliche Entscheidung noch ein Weilchen umgehen, wohlwissend, dass sie höchst wahrscheinlich überhaupt keine Wahl hatte.
"Es wäre vielleicht möglich, bei einem Architektenbüro anzufangen, aber das Gehalt wäre wohl nicht so großzügig."
"Das heißt, es würde nicht einmal annähernd reichen, um uns alle durchzubringen.", stellte sie knapp fest und blickte ihn ernst an.
"Annette, überlege es dir, bitte. Wir müssten mit ihm nicht unter einem Dach leben, wenn du willst, doch es wäre eine Möglichkeit unser Leben so weiterzuführen, wie bisher."
"Damit willst du sagen, es ist die einzige Möglichkeit."
Jules nickte nur und schaute nervös auf seine Uhr, in fünf Minuten sollte er wieder an der Seine unterhalb von Notre Dame sein, er würde sich wieder einmal verspäten. Seine Frau bemerkte seine Nervosität und seufzte, seit einer Woche stritten sie nun schon über dieses schreckliche Thema und nun blieb ihr nichts anderes übrig, als sich zu ergeben. Auf keinen Fall wollte sie in die Armenviertel zurück, in denen sie einst in Belgien aufgewachsen war, zu schnell gewöhnte man sich an Bequemlichkeiten, also versuchte sie sich mit diesem Gedanken irgendwie anzufreunden.
"Geh zu ihm und sage ihm, dass wir mitgehen werden.", sagte sie leise.
"Sicher?", fragte Jules nach, als er seine Frau mit hängenden Schultern am Tisch sitzen sah.
"Es ist die einzige Chance, dass aus unseren Kindern etwas vernünftiges wird.", meinte sie und schickte ihn fort, bevor sie es sich noch einmal anders überlegen würde.
Jules rannte den ganzen Weg zu Notre Dame, als wäre der Teufel persönlich hinter ihm her. Erik ging schon nervös auf und ab, und bemerkte grimmig, das Jules schon wieder zu spät war.
"Wahrscheinlich kommt er nicht einmal um mir zu sagen, dass ich alleine fahren soll.", sagte er sich verärgert und schaute die Treppe hoch, die zu der unteren Uferstraße führte. Er wollte seinen Blick gerade wieder abwenden, als Jules völlig außer Atem in seinem Blickfeld auftauchte.
"Ich weiß, ich bin schon wieder zu spät, Monsieur."
Erik blieb stumm und nickte nur zustimmend und machte sich auf das schlimmste gefasst. Jules stützte sich derweil auf seinen Knien ab, um wieder zu Atem zu kommen.
"Wir... wir... werden... .", hechelte er immer noch nach Luft ringend.
"Nicht so schnell Jules, erholen Sie sich und dann teilen Sie mir das unausweichliche mit.", meinte er ruhig und lehnte sich in seinen schwarzen seidengefütterten Kaschmirumhang an die Mauer. Er blickte zum Himmel und betrachtete die Sterne, als Jules sich von seiner Atemlosigkeit erholt hatte.
"Wir werden mitkommen, Monsieur.", sagte er geradewegs hinaus und blickte Erik an. Dieser stieß sich abrupt von der Mauer ab und fixierte Jules mit seinen Augen und versuchte herauszufinden, ob dies ein Scherz war.
"Sie scherzen."
"Nein, wir werden mitkommen, die Kinder, meine Frau und ich."
"Und ich dachte, Sie hätten ihre Frau verschwinden lassen müssen, um mitkommen zu können, ich kenne die Ablehnung ihrer Frau mir gegenüber.", entgegnete Erik etwas sarkastisch, denn er erinnerte sich noch gut an Annette Bernard, die nicht einmal zulassen wollte, dass er einen Arzt für eines ihrer Kinder rief, als es die Treppe hinuntergestürzt war und sich immer in einem Zimmer eingeschlossen hatte, um ihm nicht über den Weg laufen zu müssen.
"Nein, natürlich nicht.", meinte Jules entsetzt, "Sie hat eingesehen, dass wir ohne Sie schnell auf der Straße sitzen würden, und da hat sie sich lieber für eine Übersiedlung nach New York entschieden, als in die Armenhäuser zurückzugehen, in denen sie einst aufgewachsen ist."
Als Erik merkte, dass Jules die Wahrheit sprach, entspannte er sich. Das waren gute Neuigkeiten, nun konnte er in aller Ruhe seine Abreise vorbereiten.
"Jules, bitte informieren Sie sich, wann das nächste Schiff nach New York ablegt, ich denke, wenn wir eine Passage in zwei, drei Wochen nehmen, sollte das ausreichend sein, um alles Logistische zu organisieren.", meinte Erik und ging schon in Gedanken durch, was er mitnehmen würde und von welchen Dingen er sich trennen würde. Vor allem überlegte er, was er mit den Habseligkeiten von Christine machen sollte, als Erinnerung mitnehmen, zurücklassen oder zu ihr schicken.
"Ja, das müsste reichen. Ich werde sofort Anfragen in Cherbourg einholen.", sagte Jules.
"Ach, Jules, fragen Sie auch nach, wie es mit Katzen aussieht, ich möchte Ayesha nicht zurücklassen müssen.", meinte Erik und nachdem er sich von Jules verabschiedete hatte, eilte er in seine Wohnung zurück.
Erik brauchte nicht viele seiner Sache, was er entbehren konnte, wollte er zurücklassen. Doch es gab Dinge, von denen konnte er sich nicht trennen, so wanderten die alten Bücher seines Großvaters, der Schmuck seiner Mutter, seine Kompositionen, seine erste Geige und all die Notenhefte aus denen Christine gesungen hatte, in große Kisten. Nachdem so vier große Kisten zusammengepackt waren, packte er seinen großen Koffer, wo er seine neusten Anzüge und seine persönlichen Sachen verstaute, dann wollte er in Christines Zimmer hinüber gehen, doch plötzlich kündigte ein Klingeln Besuch an. Erik fragte sich, wer hierher zu ihm hinunterkommen würde, und als er die Tür öffnete stand Jules mit seinem ältesten Sohn, Charles, davor.
"Wir dachten, Sie könnten etwas Hilfe beim Packen gebrauchen und da wollten wir helfen.", meinte Jules gelassen.
"Das können Sie sogar sehr. Irgendwie muss der Inhalt dieser Kisten unbemerkt nach draußen getragen werden.", sagte Erik und setzte Wasser für Tee auf. Charles und Jules schauten in die Kisten und holten unter ihren weiten Umhängen zwei Koffer hervor.
"Wir werden es einfach umpacken und in die großen Kisten packen, in denen unser eigenes Hab und Gut verstaut ist. In den ersten Wochen werden wir ohnehin unter einem Dach leben müssen..", meinte Jules und begann auch sofort mit dem Umpacken.
"Gute Idee. Sag mal Jules, könntest du Kontakt zu einem Bekannten aufnehmen?"
"Ja, wieso Erik?", fragte Jules verwundert.
"Weil ich will, dass Nadir, so heißt mein Bekannter, die persönlichen Sachen von Christine zu ihr bringt und ihr auch mitteilt, dass ich Frankreich verlassen werde und dass sich Christine und der Vicomte keine Sorgen machen sollen, ich könne ihr junges Glück stören wollen.", sagte er so ruhig wie möglich. Es schmerzte ihn schon von Christine getrennt zu sein, aber er musste langsam einsehen, dass sie nicht zu ihm gehören sollte. Und indem er ihre Sachen zurückschickte und sich so endgültig verabschiedete, gestand er sich sein elendes Schicksal endgültig und für immer ein.
"Natürlich, werde ich das tun.", sagte er und beobachtete Erik, wie er den Tee einschenkte, ihm entging das leichte zittern seiner Hände nicht, als er von Christine sprach.
"Gut das ich eine Droschke gemietet habe, die in einer Seitenstraße wartet und die wir selber lenken.", meinte Jules, er hatte sich denken können, das sie ihm mit seinem Gepäck helfen konnten, immerhin konnten sie nicht einfach so in der Rue Scribe halten und am hellerlichten Tage Eriks Gepäck verladen.
"Ich habe Christines Sachen aber noch nicht zusammengepackt und ihr werdet unmöglich alles heute mitnehmen können.", meinte Erik verwundert über so viel gute Vorbereitung.
"Das hatten wir auch nicht vor.", sagte Jules beschwichtigend.
"Und was die Sachen von Mademoiselle Daaé angeht, wir werden in anderthalb Wochen nach Cherbourg fahren, es dürfte also reichen, wenn ich die Dinge von Mademoiselle Daaé am Tag unserer Abreise zu ihrem Bekannten bringe.", warf Jules ein.
So wurden nachts in unregelmäßigen Abständen heimlich Koffer und Kisten aus dem Seitenausgang der Oper in der Rue Scribe rausgetragen und zu einer nahestehenden Droschke getragen, die von Jules zweitem Sohn bewacht wurde. Mit jedem Koffer und mit jeder Kiste rückte der Tag des letzten Abschiedes unaufhörlich näher. Erik ertappte sich immer wieder dabei, wie er in den letzten Tagen durch das Opernhaus schlenderte, jedes Stückchen Marmor betastete und Abschied nahm. In den nächsten Tagen, würde er Nadir zum letzten Mal besuchen, dann würde er ihm wohl sagen müssen, was er vor hatte. Danach würde er zusammen mit Jules´ Familie nach Cherbourg fahren. Sie würden die ganze Nacht hindurch fahren, um eine Woche später das Schiff nach Amerika zu besteigen, auf dem sie die einzigen Passagiere der zweiten Klasse sein würden, dafür hatte Jules gesorgt. In dieser einen Woche müsste er Ayesha in Quarantäne geben, eine Woche in Einsamkeit, in der ihn höchstens Jules etwas Gesellschaft leisten würde, wenn Madame Bernard dies gestatten würde.
Nun hatte Erik alles, was er mitnehmen würde verpackt und zu Jules gebracht, jetzt war nur noch Christines Zimmer da, zumindest ihre Sachen. Das große Bett, und der Schrank waren bereits, wie auch alle anderen Möbel, auf dem Weg nach Cherbourg. Heute würde er endlich von ihren Sachen Abschied nehmen. Die beiden Koffer standen bereits geöffnet im Zimmer, während auf dem Boden ihre Habseligkeiten verstreut herum lagen. Sorgfältig, beinah ehrfürchtig legte er alles ordentlich zusammen, wehmütig legte er die Sachen in den großen Koffer, dazwischen packte er, die anderen Dinge, Bürsten, Spiegel, Kämme, Spangen, Bänder und ein wenig Schmuck. Er hatte sich vor Tagen dazu entschieden, einen Teil des Schmuckes seiner Mutter ihr zu überlassen, sozusagen als Hochzeitsgeschenk. Dann packte er ihre restlichen Kleider ein, die er ihr hatte fertigen lassen, ihre Umhänge und ihre Bücher packte er in den zweiten Koffer. Sorgfältig verschloss er beide Koffer und blickte sich um, auf der Kommode lag nur noch ein Seidenschal, den sie hier oft getragen hatte, wenn es etwas kühler war. Ihr Duft hing in diesem Schal fest und daher hatte er diesen Schal als letztes Erinnerungsstück zurückbehalten. Er nahm ihn an sich und legte ihn sorgfältig in seine kleinere Tasche, in der er die letzten persönlichen Dinge aufbewahrte, die er in den nächsten Tagen noch benötigen würde.Ayesha war nicht entgangen, dass sich etwas veränderte und sie spürte, das sie dieses Haus bald verlassen würde, daher lag sie in einer Ecke und fühlte sich vernachlässigt, da Erik sich mehr um seinen Umzug kümmerte, als um seine anspruchsvolle Katzendame. Selbst wenn Christine da gewesen war, hatte er sich mehr um seine Katze gekümmert, als jetzt.
Es war vollbracht, alles war verpackt und zum Teil bereits unterwegs nach Cherbourg, sein Haus war leer. Nur noch der große Flügel und die prächtige Orgel würde er zurücklassen müssen, denn es war unmöglich gewesen, alles mit an Bord nehmen zu können und man hätte unmöglich unauffällig die großen Instrumente aus der Oper bringen können. Er bedauerte das sehr, aber er schwor sich, sobald er seine ersten Aufträge erfolgreich hinter sich gebracht hätte, würde er sich neue Instrumente besorgen, denn Musik war für ihn eine wichtige Essenz zum Leben und das würde sich auch nicht ändern. Er ließ sich schwerfällig auf die schwarze Couch fallen und betrachtete seine Katze, die ihn zum ersten Mal merklich ignorierte.
"Es tut mir leid, Ayesha, das ich dich in den letzten Tagen so schändlich vernachlässigt habe.", sagte er und kraulte ihr entschuldigend den Nacken. "Aber bald werden wir hier weg gehen und in einem neuen Land ein neues Leben beginnen.", meinte er gedankenverloren und hielt sie in den Armen so wie früher. Er war bereit wieder auf Reisen zu gehen, fast so wie früher.