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Ägypten
Altägyptische Modegeschichte





Das Pharaonenreich am Nil gehört zweifelsohne zu eines der Reiche die mit am längsten Bestand hatten. Die Geschichte des pharaonischen Ägyptens erstreckt sich, wenn man die Vorgeschichte mit einbezieht, über mehr als 5.000 Jahre und die meisten allgemeinen Bücher und Dokumentationen beschäftigen sich mit dem Bau der Pyramiden im Alten Reich, vielleicht noch mit der Vereinigung Ober- und Unterägyptens durch Narmer (Frühzeit) oder mit Echnaton und Tutenchamun und natürlich auch Ramses der Große.

Die Pharaonen und großen Schlachten sind oft Thema aber der Alltag der Menschen kommt in der Regel zu kurz und mit der Kleidung beschäftigen sich zwar gewiss die Fachleute, aber nur wenig kommt zu den Laien. Ich bin zwar kein Fachmann, aber ich habe mich durch ein paar Fachbücher und Publikationen gelesen und stelle hier nun das gesammelte Wissen, was gewiss nicht vollständig ist, zusammen.
Zeitstrahl
Für die Mode gibt es in der Regel vier besonders wichtige Fragen: Wie wurden Materialien verarbeitet, welche Stoffe wurden verwendet, welche Farben gab es und vor allem welche Kleiderformen wurden getragen. Zu diesen Fragen will ich nun versuchen Antworten zu geben.

1. Welche Materialien fanden Verwendung?

Die Frage nach den verwendeten Stoffe lässt sich rasch beantworten, denn sie sind überschaubar in der Zahl. Schon um 3.000 v.Chr. waren die Ägypter in der Lage qualitativ hochwertige Stoffe herzustellen, demnach kann man vermuten, dass die Menschen am Nil schon seit Generationen Erfahrung in der Herstellung von Stoffen hatten. Als erstes denkt man sofort an Leinen, welches die Ägypter aus Flachs herzustellen wussten, doch es gab neben pflanzlichen auch tierische Fasern, die verarbeitet wurden.
So wurden auch Stoffe aus Schafswolle hergestellt. Wollene Textilien sind aus Gräbern des Alten und Mittleren Reiches bekannt, die meisten Funde datieren aus der Zeit um 1.350 v.Chr. Auch Ziegenhaar (Mohair) wurde, wie Wolle, seit dem Alten Reich von den Menschen getragen, zumindest von Menschen, die nicht im Tempeldienst waren.
Zu den pflanzlichen Fasern wurde neben Flachs, das seit ca. 5.000 v.Chr. zu Leinen verabreitet wurde, Funde belegen dies, auch die Rinde von einigen Bäumen, wie Palmen zu Bastfasern verarbeitet wurden. Bastfasern wurden zwar bisher nur sehr wenige als Kleidung gefunden, jedoch wurden in Amarna Stoffstücke gefunden, die mit Schlaufen aus Bastfasern versehen waren.
Baumwolle war in der Antike auch schon in Verwendung, aber im Land am Nil wurden Baumwollstoffe bisher nur ab der ptolomäischen Zeit ab ca. 332 v.Chr. nachgewiesen.

2. Wie fertigten die Ägypter ihre Kleidung?

Nachdem die Frage der Stoffe geklärt ist, stellt sich natürlich die Frage, wie die Ägypter aus den Stoffen ihre Kleidung fertigte. Für Kleidung in den letzten Jahrhunderten ist die Rekonstruktion sehr gut dokumentiert durch unzählige erhaltene Kleidungsstücke, doch für die Antike wird die Lage schwieriger, denn Stoff ist fragil und übersteht selten die Zeit, es gibt sehr wenige antike Funde.
Viele vermuten wahrscheinlich, dass Kleidung in der Antike nicht genäht wurde, aber es gibt einige wenige Funde und auch einige wenige schriftliche Quellen aus der 19. Dynastie (Neues Reich) die beschreiben, dass Kleidung auch genäht wurde. Nähnadeln wurden zahlreich gefunden und waren meist aus Bronze,Nadeln Kupfer und Silber gefertigt, in einfachen Ausführung gab es auch durchbohrte Fischgräten. Sogar Behälter für Nadeln wurden gefunden und Steinplättchen, die ähnlich einem Fingerhut verwendet wurden.
Beim Zuschneiden von Stoffen waren die Menschen vor eine kleine Herausforderung gestellt, denn Scheren wie wir sie heute kennen, wurden wohl erst um das Jahr 1000 n.Chr. entwickelt. Stoffe wurden daher entweder in der benötigten Länge gewebt. Scherenähnliche Objekte widerrum sind erst aus der ptolomäischen Zeit bekannt. So blieben den Alten Ägyptern nur zwei Möglichkeiten Stoffe zuzuschneiden. Gerade Schnitte wurden einfach gerissen, dies konnte man in einer Grabzeichnung aus der 18. Dynastie entdecken. Formschnitte wie Halsausschnitte wurden mit scharfen Flintmessern geschnitten.
NähteDas Nähgarn wurde aus zwei Leinenfäden gedreht und es gab sogar Garne aus drei Fäden, so dass sich Garnstärken in fein und grob ergaben und zum Nähen verwendet werden konnten. Beim Nähen wurden damals nur wenige Sticharten angewendet, so waren Vor-/Heftstiche, Klettstiche und der Stielstich bekannt und Fransenborten wurden mittels überwendlichen Stich an die Kleidung fixiert. Auch bei den Nähten (links) und Säumen war die Auswahl klein aber effektiv, es wurden Roll- und Flachsäume verarbeitet und überlappende Nähte, auch eine Art Kappnaht wurde bereits genutzt.






3. Farben und Verzierungen - wie wurde Kleidung gestaltet?

Die meisten glauben, dass die Alten Ägypter nur in weiß gekleidet waren, doch schon seit der späten 3. und frühen 4. Dynastie lassen sich Färbungen für Stoffe nachweisen.
Zum Färben wurden ockerige Erdfarben (Eisen-Oxid mit Ton gemischt) und Pflanzenfarben verwendet. Die Erdfarben ergaben Töne von hellgelb bis dunkel orange und braun, wenn man das Eisen-Oxid erhitzte erhielt man einen rötlichen Farbton. Aus den Pflanzenfarben gewannen die Ägypter Blautöne, (wohl aus Färberweid, seltener aus Indigo) aber auch Rottöne wurden auf pflanzlicher Basis unter Verwendung von Krapp und Henna) hergestellt, daneben gibt es auch Gelb- und Grüntöne.
Das berühmte strahlende Weiß erhielten die Ägypter durch bleichen und es war vermutlich genauso beliebt in weiß gekleidet zu sein, wie man sich in farbenprächtige Gewänder hüllte.

Aber nicht nur durch Farben wurde Kleidung gestaltet, die wenigen gefundenen Exponate, weisen auch noch andere Verzierungen auf, wie Perlen, Rosetten und Pailletten. Perlen Stoff
sind schon seit prädynastischen Zeiten bekannt und durch Funde belegt. Auch wurde Stoff gern bestickt, zumindest aus königlichen Gräbern sind bestickte Stoffe bekannt. In den Stoffresten rechts sind Muster eingewebt oder vielleicht sogar eingestickt (aufgrund der aktuellen Corona-Pandemie kann ich den Stoff leider nicht erneut begutachten und die Beschreibung nachlesen). Seit dem Neuen Reich wurde Stoff auch mit Applikationen besetzt, aber auch eher bei der königlichen Kleidung. Außerdem wurden Borten und Bänder aufgesetzt. Von den Statuen ist bekannt, dass Stoffe auch gefältet wurden und besonders auch plissiert. Plissierte Stoffe sind bereits aus dem Alten Reich bekannt und eine weitere Stoffverzierung war das Bemalen von Stoffen, entsprechende Funde gibt es aus dem Neuen Reich.

4. Woraus bestand nun die ägyptische Garderobe?

Wenn man sich die Grabmalereien, Statuen und Papyri anschaut, könnte man meinen, dass der Umfang an verschiedenen Kleidungsstücken in pharaonischen Zeiten gering war. Aber haben wir wirklich so viel mehr Auswahl? Es gab zwei Grundformen: Wickelgewänder und zugeschnittene Kleidung.

Lendentücher

Das einfachste Kleidungsstück waren die sogenannten Lendentücher in dreieckiger Form. Sie wurden an der langen Kante um die Taille gewickelt und der Rest wurde zwischen den Beinen hindurch gezogen und dann wieder in der Taille befestigt. Diese Tücher wurden von fast allen Ägyptern getragen, Männern wie auch Frauen, und war in der Regel aus Stoff gefertigt, es gab aber auch die Möglichkeit, dieses Lendentuch aus Leder herzustellen. In Leder wurde es aber nur von Männern getragen. Bei der Trageweise dieser Tücher könnte man sie auch als eine Art einfache Unterhose ansehen.

Röcke

Röcke gehören zweifelsohne zu den ältesten Kleidungsstücken und wurden ausschließlich von Frauen getragen, die Rockähnlichen Kleidungsstücke der Männer werden Schurz genannt. Der Rock ist hier ein Wickelgewand und bedeckte den Unterkörper ganz oder teilweise. Er konnte sehr knapp sein und gerade einmal die Hüften bedecken oder länger sein und von der Brust bis zum Knöchel reichen.
In der Regel waren Röcke schlicht verarbeitet, für einen kurzen Rock benötigte man ein Stück Stoff von 130 cm x 60 cm, für einen langen Rock verwendete man ein Stück von 250 cm x 80 cm (bei modernen Frauen würde der Rock bis zur Wadenmitte reichen, in der Antike waren Frauen aber im Schnitt nur um die 153 cm groß und Männer 164 cm und dann wäre der Rock tatsächlich knöchellang).

Schärpen

Schärpen waren lange Stoffstücke, die wie ein Gürtel benutzt wurde und Röcke und Schurze fixierten. Solche Schärpen konnten kunstvoll um den Körper gebunden werden oder lediglich einmal. Schärpen waren etwa 150 cm lang und im Schnitt 5 bis 20 cm breit und an ihrer Schmalseite oft mit Fransen oder Troddeln besetzt. Meistens waren sie einfach gehalten, konnten aber auch kunstvoll verziert sein.

Archaische Wickelgewand

Das älteste Kleidungsstück ist das archaische Wickelgewand, das nicht nur von Frauen, sondern auch von Männern getragen wurde. Es bestand aus einem Stück Tuch von 150 cm x 250 cm Größe. Für dieses Kleid
Wickelkleid
wird die obere Ecke des Tuches über die linke Schulter gelegt und dann wird das Tuch ein- oder mehrmals um den Körper gewickelt. Es wird dabei so unter den Armen durchgeführt, so dass es an der linken Achsel wieder endet und dann die beiden Ecken zusammengeknotet werden können. Als weiteres Mittel zur Fixierung des Kleides konnte zusätzlich eine Schärpe getragen werden.


Kleider

Ein Kleidungsstück, dass nur von Frauen getragen wurde, sind Kleider. Die Kleider damals lagen eng am Oberkörper an und hatten einen engen oder einen fließenden Rockteil. Es gab drei verschiedene Grundformen an Kleidern:
  1. Wickelkleider
  2. Kleider mit V-Ausschnitt
  3. Perlenkleider

a) Wickelkleider

Ein Wickelkleid ist ein langes Stück Stoff, das auf verschiedene Art und Weise um den Körper gewickelt wird, also wie ein Rock, nur dass es auch den Oberkörper bedeckt. Die einfachen Wickelkleider gibt es bereits seit dem Alten Reich und wird ein- bis dreimal um den Körper gewickelt, die Enden werden abschließend am oberen Rand eingesteckt. Ein solches einfaches Kleid benötigt ein Stoffstück von 300 cm x 120 cm Größe und kann dann dreimal um den Körper gewickelt werden und ist dann etwa knöchellang. Ein solches Kleid konnte auch ganz einfach mit separaten Schulterstreifen (10 x 90 cm) versehen werden. Der Stoffstreifen wurde über die Schulter gelegt und dann das Kleid über die unteren Enden der Träger gewickelt.
Ab dem Neuen Reich sind Wickelkleider komplexer geworden und bestanden aus ein bis zwei Stücken Stoff. Sie wurden geknotet, eingeschlagen oder mit Schärpen gehalten oder mit anderen Kleidungsstücken kombiniert.

 Neues Reich
















Oben sind verschiedene Wickelmöglichkeiten zu sehen, wie im Neuen Reich Wickelkleider getragen werden konnten. Will man ein solches komplexes Wickelkleid reproduzieren, benötigt man Stoff von 300 cm x 110 cm Größe und für die Schärpe 150 cm x 35 cm.


b) Kleid mit V-Ausschnitt

Die nächste Kleidvariante ist ein schlauchartiges Gewand mit einem tiefen Halsausschnitt. Dieses Kleid gab es als ärmellose Variante und mit Ärmeln. An den Statuen kann man sehr schön diese Kleiderform erkennen, der sehr tiefe Ausschnitt ist gut erkennbar.

V-Ausschnitt  V-Ausschnitt






















Die erhaltenen Kleider sind bedauerlicherweise in derart schlechtem Zustand, dass man bis heute nicht eindeutig sagen kann, wie diese überhaupt hergestellt wurden. Auf dem Grabungsfoto unten kann man an der weiblichen Mumie ein ärmelloses Kleid mit V-Ausschnitt erkennen.

Kleid

Die Variante mit Ärmeln werden zu den zugeschnittenen Kleidern gerechnet. Es gibt erhaltene Modelle aus dem Alten und Mittleren Reich, sie kamen jedoch in der Zeit um 2.000 v.Chr. aus der Mode. Das unten gezeigte Modell stammt aus dem Alten Reich und wurde auf ca. 2.250 v.Chr. datiert.
TunikaDie Kleider mit Ärmeln gab es sowohl gefältet als auch ohne Falten und bestanden aus drei Teilen. Der Rock benötigt 100 cm x 120 xm Stoff und für die Ärmel benötigt man 2 x Stoff von 45 cm x 70 cm Größe, für gefältete Versionen bedarf es der doppelten Stoffmenge, wobei die einzelne Falte etwa 10 cm breit.
Die Ärmel werden an der unteren Kante mit einfacher Naht am Rockteil angenäht. Die Öffnungen werden durch Bänder geschlossen. Der Rock wird an der kurzen Kante zusammengenäht.V-Ausschnitt Unten sieht man
ein passendes Schnittmuster.


Hemd
















c) Perlennetz-Kleider

Der letzte Kleidertypus ist etwas besonderes, denn es besteht über und über aus Perlen, die in geometrischen Mustern audgefädelt wurden. Die Perlen waren dabei zylindrisch, in Scheiben oder Blumen geformt und waren meist in hell-, Perlennetzkleid
dunkelblau und grün gehalten.

Solche Kleider sind seit dem Alten Reich bekannt und wurden über einem leinenen Unterkleid getragen. Da die Perlen, die aus Fayence oder Ton hergestellt waren, sehr zerbrechlich waren, kann angenommen werden, das Perlennetz-Kleider zu besonderen Anlässen getragen wurden. Auf dem nebenstehenden Bild ist ein Exemplar aus dem Museum in Leipzig zu sehen, wobei das Exemplar in Leipzig "nur" auf einer Mumie gelegen hat, also nicht wirklich als Kleidung der Lebenden getragen wurde. Weitere Bilder vom Kleid gibt es hier. Wie man sieht waren in diesem Netz auch Schmuckelemente wie Amulette und Halskragen eingearbeitet.







Sacktuniken

Im Neuen Reich kam ein neues Gewand in Mode: die Sacktunika. Sacktunika

Diese Tuniken waren aus einem langen rechteckigen Stoffstück gefertigt. Es wurde mittig zusammen gelegt und eine Öffnung für den Kopf eingeschnitten. Die Seiten wurden zugenäht, bis auf 30 cm für die Ärmel.
Solche Tuniken gab es in kurz und lang, von der Schulter bis zu den Waden. Die knielange Version wurde jedoch nur von Männern getragen. Für ein solches Kleid brauchte man je nach gewünschter Länge die doppelte Körperlänge. Der Halsausschnitt wurde dann mit Bändern zusammengebunden oder, was sehr selten genutzt wurde, mit Knöpfen, die aus den Zipfeln des Halsausschnittes gefertigt wurden.
Gelegentlich wurden diese Sacktuniken auch mit Ärmeln gefertigt. Diese Tuniken sind dann auch eher weite Kleider und konnten mit anderen Kleidungsstücken kombiniert werden, zum Beispiel mit Schärpen.

Weitere Kleidungsstücke

Daneben gehörten zur üblichen Garderobe Schals, Umhänge und Kopftücher.

Monatshygiene

Auf Ostrakons aus Deir el-Medina wurde eine Auflistung für eine Wäscherei gefunden, aus der ersichtlich wird, dass gebruachte Stoffstreifen eingeliefert wurden. Es wird vermutet, dass diese von Frauen während ihrer Periode getragen wurden. Sie konnten wohl um die Taille gebunden werden oder ähnlich wie mein Tampon zusammengerollt und eingeführt werden.


5. Kombination einer Garderobe

Manche Kleidungsstücke wurden einzeln getragen, doch es gab eine Reihe von Kleidungsstücken, die zusammen getragen wurden, nachfolgend gibt es noch eine kurze Zusammenfassung nach Epochen.

Altes und Mittleres Reich: Lendentücher, Röcke unterschiedlicher Länge, Wickelkleider, Kleider mit V-Ausschnitt, Schärpen und Umhänge, Perlennetzkleider

Neues Reich: Die Garderobe konnte wie im Alten und Mittleren Reich kombiniert werden, zusätzlich wurden Wickelkleider komplexer gefertigt werden und Sacktuniken




Quellen:
  • Die Kleider des Pharao - Die Verwendung von Stoffen im Alten Ägypten, Gillian Vogelsang-Eastwood, 1995
  • A Note on Ancient Fashions - Four Early Egyptian Dresses in the Museum of FIne Arts, Bosten, Bosten Museum Bulletin Vol. LXVIII, 1970. N. 354
  • Clothing (non-royal), Pharaonic Egypt by Aleksadra Hallmann
  • Fashion & Dress in Ancient Egypt by Joshua J. mark publ. on 27 March 2017, in Ancient History Encyclopedia