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Aus dem Kochtopf
Mumienauswickelparties
Seit Jahrunderten,
bis ca. 1920, wurden für Arzneimittel in Europa gern
so merkwürdige Zutaten wie Mumia
verwendet. Wo Mumia draufstand konnte mitunter
tatsächlich eine echte altägyptische Mumie drin
sein, die schlicht zermahlen wurde, oder ein Gemisch
aus Einbalsierumgsstoffen altägyptischer Mumien oder
ein Gemisch aus Asphalt und Pech oder auch nicht
besser Leichenteile von Gehängten. Neben der
Arzneimittelproduktion fand Mumia aber auch in der
Kunst Verwendung als Mumienbraun. Heutzutage wird
diese Zutat zum Glück nicht mehr aktzeptiert und ich
hoffe auch nicht mehr verwendet - zum Glück und Wohle derer
die sich dereinst mumifizieren ließen, um im Leben
nach dem Tod im Reiche des Osiris fortzubestehen.
Doch nicht nur zermahlen wurden Mumien in Europa
verwendet, sie boten im spätviktorianischen
Zeitalter auch eine "gelungene Unterhaltung" für die
Oberschicht. Wenn sich heute einige darüber
monieren, dass die Ausstellung von Toten pietätlos
wäre, sie würden bei der folgenden Schilderung
umkippen. Ehrlich gesagt, das nachfolgende geht auch
für mich gar nicht, als jemand der sich glühend für
das Alte Ägypten interessiert und sich auch mit
Kultur und Religion beschäftigt, bricht einem das
Herz bei der Vorstellung der nachfolgenden
Schilderungen.
Party mit Mumien
Das abendliche Amüsement der Oberschicht wurde bis
ca. 1900 gelegentlich mit Mumien gespickt. Oft genug
erging eine fürstliche, königliche oder anderweitig
gesellschaftliche Einladung zu einem köstlichen
Dinner mit anschließender Unterhaltung.
Im Jahre 1883 lud Prinz Friedrich-Karl von
Hohenzollern zu einem Abendessen auf seinem
Jagdschloß. Das Dinner strich dahin und gespannt
wartete man auf das Highlight des Abends und als
endlich das Dessert verspeist war, begab sich die
Abendgesellschaft in das Billardzimmer. Dort lag auf
dem Billardtisch bereits eine Mumie in ihren
bräunlichen Leinen. Gebannt verfolgten die Gäste wie
Stück für Stück die Bandagen entfernt wurden und am
Ende erblickten sie das Antlitz einer Frau die in
jungen Jahren verstorben war. Der Ka der jungen Frau
dürfte die enttäuschten Gesichter der Anwesenden
wahrgenommen haben, die Enttäuschung war wohl
wirklich groß, denn zum Bedauern aller Anwesenden
fanden sich zwischen den Bandagen keine
Schmuckstücke oder Amulette, diese waren der Frau
vermutlich schon in de Antike von Grabräubern
genommen worden. Die Kartonagehülle der Mumie kann
heute im Ägyptischen Museum in Berlin bestaunt
werden, der Verbleib der Mumie ist
bedauerlicherweise ungewiss, doch man wird wohl mit
dem Schlimmsten rechnen müssen, ihre völlige
Zerstörung und damit der endgültige Tod der jungen
Frau, den es gibt Gerüchte, dass man sie als
Brennholz verwendete. (Anm. Verbrannt zu werden, war
in Ägypten die größte Strafe, denn ohne Körper
konnte die Reise in der Unterwelt nicht angetreten
werden, kein Totengericht und damit kein Eingang in
das Reich des Osiris und somit kein Zweites Leben.)
So wie beim Hohenzollernprinz liefen
solche Mumienauswickelparties in der Regel immer ab.
Reisende brachten sie von ihren Unternehmungen in
Ägypten mit oder man ließ sich eine solche
mitbringen. Nicht immer waren die Mumien solche aus
der Pharaonenzeit, schon damals gab es Fälscher die
jüngst verstorbenen Menschen in "echte pharaonische
Mumien" verwandelten und auf Märkten feil boten.
Anschließend wurden sie nach Europa verschifft und
wurden dann entweder im Wohnzimmer eines reichen
Geschäftsmannes ausgestellt oder dienten der
Unterhaltung. Im Falle der Auwicklung gab es zwei
Möglichkeiten:
Im besten Fall wurden solche Auswicklungen von
Wissenschaftlern durchgeführt, die anhand der
Erkenntnisse ein beseres oder überhaupt ein
Verständnis für das Alte Ägypten entwicklen wollten,
denn damals steckte die Ägyptologie noch in den
Kinderschuhen, Babysocken um genau zu sein. doch oft genug ließ man sich für eine
abendliche Party als Gag eine Mumie kommen,
dinnierte vorher noch gesellig und begab sich dann
in einen anderen Raum, wo bereits die Mumie auf dem
Tisch lag, die Menschen sich darum herum scharten
und gebannt zuschauten, wie sich die Bandagen lösten
und der Tote zum Vorschein kam. Wer heute im
Ägyptischen Museum in Kairo ist, sieht bzw. erahnt,
dass sämtliche Pharaonen, die man früher gefunden
hat, ausgwickelt sind, die Bandagen sind in den
meisten Fällen entfernt, doch aus Respekt hat man
heutzutage die Mumien so weit in Leinentücher
gehüllt, dass lediglich die Gesichter zu sehen sind.
Man mag darüber streiten, ob es in Ordnung ist,
Mumien auszustellen oder nicht, gewiss, wären die
Verstorbenen lieber in ihren Gräbern und würden dort
ihrem zweiten Leben fröhnen, doch sind sie
wahrscheinlich bei guter "Lagerung" in einem Museum
besser aufgehoben und dann kommt es entscheidend auf
die Besucher an. Ich selber war vor vielen Jahren
dort und ging schweigend und ehrfürchtig von
Glassarkophag zu Glassarkophag, und betrachtete die Gesichter der Männer
und Frauen, die einst Geschichte schrieben. Vor
Osiris Per aa Usermaatre Setepenre (Ramses II.) ging
ich sogar in die Knie. Zumindest Schweigend ohne
Kamera sollte der Anstand gebieten und man sollte
sich stets vor Augen halten, dass dies echte
Menschen sind/waren nach deren Vorstellung noch
immer Teile ihrer "Seelen" wandern und zurückkehren
für das Leben nach dem Tod.
Aber einmal zum Vergleich, wie Mumien ursprünglich
beigesetzt worden sind. Nachdem die Mumien in ihre
Särge gelegt worden waren, wurden sie mit
farbenprächtigen Blumengirlanden geschmückt. Nicht
nur die Mumie, auch der äußerste Sarkophag wurde mit
Girlanden behängt und so in die Grabkammer getragen,
nachdem der Sohn oder ein Priester das Ritual der
Mundöffnung an der Mumie selbst und den Särgen
vollzogen hat und dem Verstorbenen so die
Möglichkeit eröffnete wieder ein vollumfängliches
Leben im Reich des
Osiris zu führen. Links einmal der blumengeschmückte
Sarkophag von Osiris Per aa Amenhophis I. (18.
Dynastie, 1.525-1504 v.Chr.). Die Blumengirlanden
stammen vermutlich von der späteren Umbettung in die
Cachette von Deir-el-Bahari wo man sie 1881 mit
anderen großen Pharaonen gefunden hat. Aufgrund der
kunstvollen Gestaltung entschied man sich damals
gegen eine Auswicklung und so können wir in Kairo
die Mumie in ihrer ganzen Pracht bewundern.