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Teekleid / Aesthetic Dress / Artistic Dress
Das größte Projekt für
das Jahr 2022 ist eindeutig mein neues Teekleid. Dieses
Nähprojekt ist mein letztes Challenge-Projekt dieses
Jahr, die Aufgabe ist es ein Kleidungsstück aus einer
ganz neuen Ära zu nähen oder etwas, was in seiner Ära
eine Neuheit darstellte. Nun für eine neue Ära fehlt mir
die Zeit auch all die dazugehörigen Wäschestücke zu
fertigen, daher eine Neuheit in meiner modischen Heimat
der Engen Mode: das Künstlerkleid aus dem Englischen
besser bekannt als Aesthetic Dress oder Artistic Dress.
Der neue Stil war geprägt von einem Einfluss
künstlerischer Zirkel, der Präraffaeliten und der
Bewegung der Reformkleidung. Die Kleider waren lockerer,
konnten ohne Korsett getragen werden, boten also mehr
Freiheit. Die Kleider der Präraffaeliten waren in vielen
Bereichen vom Mittelalter geprägt, schlicht, fließende
Linien, natürliche Farben und gern auch reich bestickt.
Das ästhetische Kleid war inspiriert von der Mode der
Präraffaeliten verband aber auch fremdländlische Mode,
wie die Japans mit der europäischen Mode. Diese beiden
Strömungen blieben jedoch nicht ohne Auswirkungen auf
die Mode der breiten Masse bzw. die der übrigen
wohlhabenden Damen. Die Kleider waren nun nur noch sehr
leicht korsettiert. Das Teekleid an sich entstand in
eben jener Zeit des späten 19. Jahrhunderts zunächst in
England, wo es im Haus für familiäre Nachmittagsbesuche
getragen worden ist. Diese Kleider waren vom Japonismus
und vom zuvor erwähnten Aesthetic Dress-Movement
inspiriert. Teekleider waren einfacher gehalten, saßen
locker und wurden meistens ohne Korsett getragen, sie
hatten Hängeärmel und waren trotz einer Vorliebe für
schlichte Ausführung mit Spitzen und Borten besetzt.
Diese Kleider haben mich für meine Version eines
Teekleides inspiriert:
Um mein Teekleid umzusetzen, werde ich den Schnitt von
Laughing Moon verwenden,
er kommt einigen der Modelle recht ähnlich und alle
nötigen Änderungen werde ich sicherlich hinbekommen,
vor allem muss die Schleppe lang genug werden und ich
werde den Rücken ändern. Der Schnitt hat die
Watteaufalten nur am Kragen gefasst, ich möchte es
eher wie das goldgestreifte in einer durchgehenden
Bahn fertigen, dazu werde ich wohl den Rücken von dem
Teekleid von Truly Victorian nutzen. Also werde ich
wohl die Schnitte kombinieren/frankenpattern. Für das
Kleid schwebt mir eine Farbkombination von dunkelgrün
und creme oder dunkelgrün mit rosa und ggf. goldenen
Akzenten.
Ich tendiere immer mehr zu dunkles flaschengrün mit
off-white/creme, bei den Besätzen bin ich noch
unsicher, aber vor Ende September kann ich damit eh
noch nicht anfangen, mein Geburtstagsgeld muss mir den
Stoff bezahlen ;-):-[.
Da ich ja nun doch noch etwas länger studieren muss,
werde ich dieses Projekt sehr wahrscheinlich um ein
ganzes Jahr verschieben müssen, aber die endgültige
Entscheidung darüber treffe ich in ein paar Wochen.
Die
endgültige Entscheidung ist gefallen :-) Stoff
ist bestellt und zwar rote Baumwolle mit leichtem
Glanz und schwarzer Baumwollsatin, tja, es kommt immer
alles anders als man denkt.
Nachdem der Zuschnitt gefühlt Ewigkeiten gedauert hat,
da die Teile alle sehr lang sind und der Platz am
Boden begrenzt, war ich froh, dass ich a) den
Weihnachtsbaum erst später reingeholt hatte und b)
endlich mit dem Nähen beginnen konnte. Ich hatte ja
befürchtet, dass alls ewig dauern würde, aber bisher
ist das Versäubern der Nähte das, was am meisten Zeit
in Anspruch nimmt.
Auf jeden Fall bekommt das Kleid ein herrlich lange
Schleppe, beim Säumen muss ich darauf achten, hinten
so wenig Länge wie möglich wegzunehmen. Und mein
hehres Ziel ist es, das Kleid am Silvesterabend
auszuführen.
Wie schon erwähnt, die Nahtversäuberung wird das
Zeitaufwendigste, da ich jede Nahtzugabe umlege und
dann heften muss, was bei den langen Nähten, das Kleid
ist in Prinzesslinie gehalten, wirklich ewig dauert.
Nach einer weiteren Woche ist das Rückenteil komplett
fertig genäht und versäubert, das Taillenband ist
eingenäht, muss aber nochmal ein wenig versetzt
werden, es sitzt eindeutig zu niedrig.
Aber ich habe dadurch nun schon mit der Vorderseite
beginnen können und habe erst einmal provisorisch die
Drapierung gesteckt, sieht noch nicht sehr schön aus,
aber wenn es fertig ist, wird es ordentlich sitzen und
nicht so sackig sein. Dafür wird zunächst eine
figurbetonte Basis geschaffen, die eine Knopfleiste
als Verschluss hat. Darüber kommt dann später die
Drapierung, die dann mit Haken in den Seiten befestigt
wird, auf der einen Seite die Drapierung und auf der
anderen Seite dann der Miedergürtel. Wahrscheinlich,
werde ich es aber nicht im Gewandhaus tragen und werde
da eher mein Empirekleid ausführen, das passt nämlich
ganz gut, hat zwar auch eine Schleppe und noch dazu in
weiß, ich muss also höllisch aufpassen Silvester nicht
in Matsch und Moder zu
geraten.
Als
Teekleid wäre natürlich nichts zum Ausgehen, aber als
Kleid für das Aestetic Dress Movement ist es wieder
bestens geeignet ins Konzert zu gehen oder in eine
Ausstellung.
Der Januar ist auch schon wieder fast
vorüber, die Uni hat mich natürlich voll im Griff,
doch ich erlaube mir Auszeiten, vor allem in Form von
Vortragsabenden des Ägyptologischen Instituts. Aber
natürlich wird auch ein wenig genäht. Das neue Jahr
habe ich damit begonnen die Vorderseite weiter zu
nähen, vor allem die Verschlüsse für das Kleid. Diese
sind nämlich verborgen. Die obere geraffte
Lage wird unter den Aufschlägen des Oberkleides
versteckt, zusätzlich gesichert durch den Gürtel in
den ich eine Tasche für anachronistische Dinge wie ein
Handy versteckt habe. Darunter wird dann das Kleid mit
bezogenen Knöpfen verschlossen.
Im ersten Moment wirkt das Kleid nun sehr sackartig
und unförmig. Es war so arg, dass ich in der
Zwischenzeit ernstlich darüber nachdachte, den Saum
mit Falten- und Rüschenbesätzen aufzuputzen, ebenso am
Ausschnitt. Ich konnte mir zu diesem Zeitpunkt nicht
vorstellen, wie dieses Etwas Form gewinnen konnte.
Ich war ja schon froh, dass man im geschlossenen
Zustand die offene Kante nicht mehr sieht. Kurz um,
ich war mit dem Projekt nicht gerade glücklich ... für
eine Weile.
Zum Glück habe ich dieses Ansinnen mit Aufputz auf den
Schluss vertagt und habe erst einmal den Gürtel
angebracht. Denn mit all den Rüschen und Falten, wäre
es kein Aesthetic Dress mehr geworden.
Den Gürtel habe ich einfach auf etwa zwölf Zentimeter
Breite in Falten gelegt und ordentlich gebügelt, so
dass ich eine Art Miedergürtel hatte, doch auf Stäbe
verzichte ich zu gunsten der Komfortabilität.
Nun mit dem Gürtel nahm das Ganze schon
mehr Gestalt an und erinnerte mich nicht mehr an einen
Sack oder Umstandskleid. Als nächstes kam dann also
der Ansatz eines Überkleides dran beziehungsweise die
Simulation eines solchen, denn schließen kann man
dieses Überkleid nicht, es reicht nur zur Hälfte, so
dass ein gewisser optischer Verschlankungseffekt
eintritt, was mir natürlich sehr gelegen kommt.
Da ist es nun also, die äußere Hülle ist
fast fertig. Im Augenblick hefte ich die Lagen
zusammen, bevor ich die Vorder- mit der Rückseite
verbinde. Ein Leichtgewicht wird das Kleid nicht,
immerhin besteht das Kleid vorne aus vier Lagen Stoff,
ohne den Gürtel, das wird beim zusammennähen eine
ähnliche Herausforderung wie die diversen Lagen für
ein Korsett. Etwas worauf man sich definitiv freuen
kann. Bleibt nun noch der Ausschnitt. Da ich die Lagen
nicht rechts auf rechts verarbeitet habe, sieht die
Kante unschön aus. Ich habe die Lagen erst einmal mit
Überwendstich geheftet und dann mit Schrägband
eingefasst. So kann es natürlich optisch nicht bleiben
und daher kommt nun endlich die schwarze Spitze zum
Einsatz, die ich schon für das 1840er Tageskleid
nehmen wollte. Nun bin ich froh, dass ich es nicht
tat, denn hier macht sie sich auf jeden Fall besser
und ist wieder ein Detail, das dem Liberty Dress
entnommen ist, wie auch der Gürtel und die Andeutung
eines Überkleides. Die Spitze wird auch für den Kragen
reichen, dann ist sie aufgebracht und ich hab wieder
Platz in meinem Nähvorrat, der allerdings nicht vor
2024 aufgestockt wird.
Ich freu mich nun schon, wenn endlich
das Kleid an sich zusammengenäht ist und ich endlich
an die Ärmel gehen kann: lange Ärmel anliegende Ärmel
mit aufgesetzten kurzen Puffärmeln, wie bei dem
letzten Kleid in der zweiten Reihe der Exemplare, die
mich zu meinem Kleid inspirierten.
In den vergangenen drei Wochen habe ich endlich das
Hauptkleid zusammengenäht, Vorder- und Rückseite sind
nun verbunden, alle Verschlüsse sind angebracht. Somit
ist es im Grunde tragbar, ja wenn nur nicht noch ein
paar Details fehlen würden.
Die
Spitze entlang des Ausschnitts des unteren "Kleides"
ist montiert und sie macht sich wirklich toll, ich
bereue es nicht, dass ich die Spitze nicht für mein
1840er Kleid genutzt habe. Ich habe noch einiges von
der Spitze da und die kommt dann an den Kragen, für
Ärmel wird es nicht
mehr reichen, aber das ist nicht so tragisch.
Natürlich habe ich es schon einmal überprobiert und es
passt, ohne Korsett natürlich und getragen ist es dann
doch nicht so schwer wie es sich anfühlt, wenn ich das
Kleid auf meinem Schoß händeln muss zum Nähen.
Den ersten Ärmel habe ich auch
mittlerweile zusammengepinnt und er wird heute noch
genäht. Die Basis wird ein einfacher glatter
anliegender Ärmel auf den dann ein Puffärmel gesetzt
wird. Das dürfte ganz hübsch aussehen am Ende.
Der erste Ärmel ist beinah eingesetzt, nur beinahe,
weil ich die Ärmel erst nähe und dann einsetze, so
spare ich mir einmal Puppe entkleiden. Da das Kleid
recht schwer ist, ist es immer
etwas umständlich Marie zu entkleiden. Daher habe ich
den Ärmel erstmal nur angepinnt und was soll ich
sagen, ich war natürlich mit der Optik nicht wirklich
glücklich. Es sah platt aus, der Ärmel verlor an
Fluffigkeit, also habe ich ihn nochmal anders
angepinnt und zwar so, wie ich ihn ja auch später
nähen werde entlang der Innennaht und ich muss sagen,
das Ergebnis ist gleich soviel besser.
Ich bin wirklich, auch nach all den Jahren,
immerwieder erstaunt, welche Auswirkungen minimale
Änderungen in der Verarbeitung haben können. So wie es
jetzt (im letzten Bild) gepinnt ist, so habe ich es
mir vorgestellt, eine gepuffter Oberärmel über einem
langen glatten Ärmel. Nun muss ich nur noch den
zweiten Ärmel nähen und dann bin ich der
Fertigstellung schon ein gutes Stückchen weiter.
Der erste Ärmel ist mittlerweile eingesetzt, der
zweite ist auch fast fertig eingenäht. Ich habe schon
einmal mit dem Kragen begonnen, diesen zusammen zu
setzen, auch um zu sehen, ob ich ausreichend Spitze
übrig behalten würde für die Ärmel. Und dann muss das
Kleid nur noch gesäumt werden und das wird noch ein
ganzes Stück Arbeit werden.
Das Jahr ist bereits reichlich fortgeschritten, es ist
August und meine mündliche Prüfung ist absolviert,
erfolgreich, nun konnte ich also wieder die Nähnadel
schwingen und dieses Kleid endlich fertigstellen. Am
Ende habe ich mir gedacht, das bisschen hätte ich auch
schon längst fertig haben können, aber so ist das,
wenn man sich total verschätzt, wie lange säumen oder
so ein Kragen an Zeit verschlingt, oder eben auch
nicht. Jedenfalls ist das Teekleid endlich fertig :-)
und hier nun, die ersten Bilder an Marie, mir ist es
in meiner Wohnung aktuell mit über 30°C Raumtemperatur
einfach zu warm.