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Schnurversteifter Unterrock
Die 1840er zeichenen sich durch die immer weiter werdende
Rocksäume aus, die man nur mit einer Vielzahl an
Unterröcken erreichen konnte. Doch normalen, selbst
gestärkten Unterrocken sind Grenzen gesetzt. Je größer der
Rockumfang
wurde, desto mehr Gewicht mussten die Unterröcke tragen
können, damit aber zeitgleich die gewünschte Rockform
erhalten blieb, musste man schlichtweg die Unterröcke
verstärken. So wurden die Stoffe (Flannel, Seide,
Kaschmir), die man für die Unterröcke verwendet hat mit
Roßhaar durchwebt, dadurch erhielten die Stoffe ihre
Steifheit, behielten dabei aber das für sie typische
Aussehen. Auch Stricke und Schnüre wurden eingezogen
unter dem Link könnt ihr sehen, wie Stricke und Schnüre
durch den Stoff gezogen waren. Es war auch nicht selten,
dass man mehrere derart versteifte Unterröcke trug, über
die man schließlich gestärkte Unterröcke aus Musselin und
dann das Kleid anlegte. Vier Unterröcke sind in den
1840ern fast schon Standard und wohl das Minimum, in den
1850ern waren dann schon wenigstens 12 Unterröcke
erforderlich und ich denke die meisten Frauen waren mehr
als erleichtert, als 1856 die Pferdehaarpolster durch
Einlagen von dünnen Stahlreifen ersetzt wurden.
Rechts seht ihr einen solchen schnurversteiften Unterrock,
das Modell ist aus den 1830er Jahren, wie man an den
zusätzlichen Gestell für die Ärmel sehen kann, aber die
Unterröcke wandelten sich nicht sonderlich. Und genau so
einen schnurversteiften Unterrock werde ich mir für mein
1848er Tageskleid fertigen. Ich ahne schon jetzt, dass das
nicht weniger zeitintensiv werden wird, als mein
besticktes Tageskleid von 1881.
Mein Unterrock wird aus rotem
Baumwollpopelin gefertigt werden und ich werde die Schnüre
zwischen zwei Lagen Stoff einarbeiten, ich denke, dass
diess nochmal zusätzlich Festigkeit bringt und auch nicht
unüblich war. Als Schnitt habe ich mir den von Past
Impressions geholt, ich bin gespannt wie sich dieser
verarbeiten lässt.
Nun nachdem der Schnitt ankam, bin ich wenig klüger als
vorher, der Schnitt ist naja, die Anleitung ist irgendwo
auf dem Rang geklatscht und nirgends eine Angabe für
welches Taillenmaß die Rockbahn ist, noch wie viele ich
davon benötige. Einig der Unterrock mit den Biesen ist
halbwegs brauchbar, den werde ich bei den Unterröcken
einstellen. Also zurück zu Black Snail Patterns, da habe
ich für ein Korsett der 1830er den Schnitt geholt, da ist
ein Corded Petticoat nochmal mit Maßen erklärt, damit kam
ich dann eher zurecht, außerdem war da noch eine Anleitung
für Fächerschnürung enthalten, die will ich bei meinem
1840er Korsett mal ausprobieren. Also habe ich nun die
Bahnen für den Corded Petticoat zugeschnitten, eventuell
werde ich noch eine Verlängerung benötigen, das entscheide
ich aber erst, wenn die 38 Reihen Schnüre eingenäht sind.
Die Rockbahnen sind zwei Bahnen von 2 m
Länge und der gesamten Stoffbreite, also auch 1,45 m.
Klingt nach reichlich Länge, aber wir werden sehen, wie
viele Länge die Schnüre am Ende schlucken werden.
Zunächst habe ich die beiden Rockbahnen am Saum
zusammengenäht und sogleich die erste Kordel
eingearbeitet, diese besteht aus einem Reststück
Atlaskordel und ist etwas dicker als die restlichen
Kordeln. Zu diesem Zeitpunkt kann ich mir noch nicht so
recht vorstellen, dass ein Unterrock nur mit Schnüren
versteift irgendwas an Gewicht halten kann.
Auch nach der zweiten Schnur, die im Grunde
aus drei Schnüren Paketband besteht, die ich eingedreht
habe, sehe ich noch nicht, dass da irgendwie Form
reinkommen kann.
Nach vier Schnüren kann ich es mir langsam
aber vorstellen, dass das was wird. Im Grunde sollten die
existierenden Exemplare ja auch für sich sprechen, aber
der moderne Mensch ist doch erst einmal skeptisch. Ich
muss zudem feststellen, wieviel Geduld unsere Vorfahren
gehabt haben müssen. Denn zu der Zeit von
schnurversteiften Unterröcken in den 1840er Jahren gab es
noch keine Nähmaschine und Konfektionsware war auch noch
nicht erfunden. Die Frauen fertigten sich diese Unterröcke
also auch in Handarbeit zu Hause an.
Der erste Block Schnüre ist eingearbeitet,
weiter geht es demnächst mit dem zweiten Block. Es wird
offensichtlich, dass die Versteifung erst ab einer
bestimmten Anzahl an Schnüren wirklich fühlbar wird. Nun 6
von 38 Schnüren sind eingearbeitet, wenn ich richtig
gerechnet habe, dann wird der versteifte Bereich etwa 55
cm lang sein, vielleicht füge ich auch noch ein paar mehr
ein, mal sehen.
Ich habe mittlerweile die Verarbeitungsweise gewechselt,
von zweilagig auf einlagig. Das Handling von zwei
Stofflagen, wird andernfalls irgendwann zu einer Qual, es
war ja schon jetzt schwer die Schnüre ordentlich
einzulegen. Nun wird es wie Paspeln genäht, die Schnüre
lassen sich zwar nun leichter handeln, aber dafür sind die
Abstände größer, also werde ich am Ende jeden Block
nochmal zusammennähen an ausgewählten Stellen, damit es
mehr wie ein Block ausschaut. Wie man sieht, ist nicht
alles Gute beisammen.
Ein
bisschen habe ich noch an meiner Technik gefeilt und
schwups musste ich mir keine extra Arbeit machen, um die
einzelnen Schnüre im Block erscheinen zu lassen. Und eine
weitere Erleichterung war dickere Schnur. Bei meiner Oma
habe ich nicht nur einige schöne Stoffe und Borten
gefunden, sondern auch dickere Paketschnur und die kam in
den Rest des Rockes rein.
Die ersten Blöcke waren mit 5 Schnüren, und die
Zwischenräume wurden etwas breiter, doch dann wurden nicht
die Zwischenräume wieder schmaler und aus 5er wurden 4er
und 3er Blöcke, zum Abschluss gab es dann noch ein paar
Doppelreihen.
Je
näher ich den Doppelreihen kam, umso schneller ging mir
die Näherei von der Hand. Das kann natürlich alles
Einbildung gewesen sein, den schließlich stecken am Ende
79 Stunden Arbeit in dem Unterrock und ich war ehrlich
gesagt froh, als er fertig war.
Der
letzte Schritt war dann, nach dem Waschen, den Rock zu
stärken. Ich gestehe, es war das erste mal, das ich einen
Unterrock überhaupt gestärkt habe. Verwendet habe ich
Flüssigstärke aus der Drogerie und wenn ich ehrlich
bin, sehr steif ist er nicht geworden, obwohl ich die
2,5-fache Menge genommen haben. Beim nächsten werde ich
mal diese Menge auf weniger Wasser verwenden und dann auch
mal ein altes Rezept versuchen die Stärke selber
herzustellen. Aber vorerst ist der schnurversteifte
Unterrock nun fertig.