Wäsche ist ja grundsätzlich etwas simples, etwas für Anfänger, aber dieses Mal hätte ich fast an mir gezweifelt.
Eigentlich ist es ja wirklich ganz easy, kein Hexenwerk, aber dieses Mal habe ich über 30 Stunden nur für die Chemise gebraucht. Aber fangen wir mal von Anfang an an.
Das Beinkleid kam ja schon früher in Mode, wurde aber nur sporadisch von den Damen getragen, doch nun in den 1840ern wurde sie zum obligatorischen Bestandteil der Leibwäsche einer Dame. Wie das gesamte 19. Jahrhundert hindurch, bestand das Beinkleid aus zwei Beinlingen, die im Bund verbunden sind, ansonsten aber offen bleiben.
Meine neue Marie trägt hier nun das neue Beinkleid, gefertigt aus Baumwollbatist und es sieht mal wieder wie ein Hauch von nichts aus. Ich habe mich für die schlichte Variante ohne Biesen oder vielen Rüschen entschieden, lediglich am Saum eines jeden Beinlings ist Festonspitze angebracht.
So kann ich meinen Vorrat an Spitzen endlich einmal aufbrauchen bei dem ganzen Biedermeier-Projekt.
Ich habe mir mal erlaubt, die Rückansicht des Beinkleides abzulichten, hier kann man besonders gut erkennen, dass das Beinkleid tatsächlich offen ist und nur am Bund vorn zusammengehalten wird. Diese Konstruktion hat unglaubliche Vorteile, wenn man mal gewisse Örtlichkeiten aufsuchen muss und dabei unglaublich viele Röcke trägt.
Das Beinkleid war nach einem halben Tag fertig, zumindest, wenn ich die einzelnen Minuten zusammenrechne, die ich daran gesessen habe. Da Klausuren zu schreiben waren, war das meine tägliche zu-Bett-geh-Routine.
Da die Unterhose so leicht von der Hand ging, okay es war auch die von Laughing Moon, bei Black Snail Pattern ist nämlich kein Beinkleid enthalten, dachte ich, ich setze mich an die Chemise, es war schließlich Freitag Nachmittag und die letzte Klausur war geschrieben worden, ich hatte nun also schön viel Zeit, kein Lerndruck und konnte mich ganz und gar Nadel und Faden widmen.
Der Anfang lief gut von der Hand, die Passe war gefertigt und die vordere und rückwärtige Bahn waren eingepasst. Auch die Ärmelchen gingen zügig, spontan hatte ich entschieden, dass ich die Ärmeleinfassung besticken wollte. Das Motiv ist allerdings aus der La Mode Illustrée von 1870, aber das sieht man ja nicht unebdingt.
Nachdem nun also die Ärmelchen fertig bestickt und zusammengesetzt waren, setzte ich sie in die Passe ein. Auf dem Boden ausgelegt, sieht es sehr, sehr groß aus, also kein Grund zur Sorge, dass es mir nicht passen könnte.
Dann sollten die Seitennähte und Ärmelnähte geschlossen werden, was ich dann auch getan habe, bis zu den Markierungen hin.
Katastrophe 1: Ein ganzer Nachmittag später habe ich die Chemise anprobiert und bekam sie nicht über meine Schultern. Panik. Ich zog sie Marie an, es ging nicht über ihre Schultern, noch mehr Panik. So etwas war mir bisher nie passiert. Eine Chemise ist für gewöhnlich so weit, dass sie, auf neudeutsch, oversized ist. Auch mit Passen hatte ich bisher nie Probleme gehabt. Nochmal habe ich alles gecheckt gehabt, konnte aber zunächst meinen Fehler nicht finden. Es sei angemerkt, in den vergangenen Wochen habe ich selten mehr als 4-5 Stunden Schlaf gehabt, aber da es taghell war, wollte ich nicht den ganzen Tag im Bett verbringen.
Ich habe dann versucht, den Keil, der im nächsten Schritt eingesetzt werden sollte, anzusetzen und sah, dass der Keil gigantisch war, im Gegensatz zu der Lücke, die nach dem Schließen der Seitennähte geblieben war. Also habe ich die Seiten- und Ärmelnähte nochmals aufgetrennt und die Ärmel von der Passe getrennt hatte. Die Seitennähte aber nicht ganz, nur soweit, wie ich sie für den Keil bräuchte. Das war dann der Moment, in dem ich nochmal die Markierungen vom Schnittmuster ansah und entdeckte, dass ich die Markierungen falsch übertragen hatte, so ein typischer Kopf-an-die-Wand-Moment. Das war zumindest die Lösung für mein Größenproblem.
Als ich dann mit den neuen Markierungen, wieder alles zusammen setzen wollte, passierte mir Katastrophe 2, ich habe, als ich den ersten Ärmel wieder einsetzen wollte, gleich die Seitennaht mitgegriffen und somit war es kein Ärmel mehr. Nochmal Kopf an die Wand, nochmal die Naht auftrennen und neu einsetzen. Danach ging ich erstmal schlafen, den zweiten Ärmel wollte ich am nächsten Morgen einsetzen, bevor ich zur Hochschule fuhr.
04:50 Uhr, viel zu früh an einem Montag. Nachdem ich am Vortag schon zwei Katastrophen hatte mit der Chemise, dachte ich, es könnte nicht mehr schlimmer kommen. Nachdem der zweite Ärmel eingesetzt war habe ich festgestellt, dass ich den zweiten Ärmel links auf rechts eingesetzt hatte, schon wieder Kopf an die Wand, das nochmalige auftrennen hatte ich dann auf den Nachmittag verlegt.
Fazit, so etwas nähe ich nie wieder mit Schlafmangel. Am Ende ging es dann wieder schnell, Ärmel neu einsetzen, Seiten- und Ärmelnähte schließen, Innenseiten von Ärmelmanschette und Passe einsetzen, Säumen. Fertig.
Am Ende bin ich mit der Chemise sehr zufrieden, sie sitzt leicht von den Schultern fallend und bietet viel Bewegungsfreiheit.