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Die Mode der Frau in der Gründerzeit

Zwischen Arbeitergesellschaft und vornehmer Gesellschaft



Mode ist seit jeher von besonderem Interesse, besonders für Frauen. Während heutzutage Frauen meistens die freie Wahl haben, wie sie sich kleiden wollen, hatten sie zu Zeiten unserer Ur-Ur-Ur-Großmütter weitaus weniger Freiheiten. Wie sich unsere Ahninnen genau kleideten und was sie sich eigentlich überhaupt leisten konnten, möchte ich in den nachfolgenden Zeilen darlegen.

Doch zunächst, was ist Mode überhaupt? In der Theorie stammt das Wort "Mode" vom lateinischen Wort modus ab, was soviel wie "Gemessenes" bedeutet. Im Allgemeinen definiert man als Kleidermode, den Teil der Kleidung, der dem modischen Wandel unterliegt. Seit sich der Mensch bedeckt, hat die Kleidung nicht nur schützende Aufgaben, sondern dient auch ästhetischen Zwecken. Mann oder Frau dekorieren, formen sich und versuchen ihre Vorzüge hervorzuheben, was mal mehr, aml weniger gut gelingt.

Heutige Mode unterscheidet sich gravierend von früher, wir haben heute eine enorme Auswahl verschiedenster Kleidungsstile und auch "exotisches" wie Vintage oder Rockabilly werden aktzeptiert und sind nichts ungewöhnliches mehr. Modeinteressierte Männer und Frauen blättern durch Modemagazine und schauen sich online oder in anderen Medien die Highlights der verschiedensten Modeschauen, ob Pret-à-Porter oder Haute Couture aus Paris oder schlichtweg die Fashion Weeks in London, New York, Mailand oder Berlin. Wir schauen uns die teuren, für die Mehrheit unerschwinglichen, Kreationen an und wenige Wochen später findet die durchschnittsverdiende Kundin und auch wer noch weniger verdient, die Modestile in den entsprechend günstigen Ausführungen der verschiedenen Modeketten und schließlich auch in unserem Kleiderschrank.

War es unseren Vorfahren auch so leicht möglich?

Ich zeige einmal auf, wieviel die Menschen damals überhaupt verdienten und was die wichtigsten Produkte kosteten.


uebersichtuebersicht

Vergleicht man die obigen Preise und den monatlichen Verdienst und bedenkt, dass ein einfaches Kleid, je nach Körpergröße und Figur ca. 9 m Stoff verbraucht, kann man ganz gut verstehen, das Mode früher nicht unbedingt erschwinglich war. Zudem konnte man nicht einfach in ein Geschäft gehen, wie heute, und kommt mit einer gefüllten Tüte voller Kleidungsstücke wieder heraus. Kleidung gab es nicht von der Stange.

Konfektionsware nahm zwar seinen Anfang in der Mitte des 19. Jahrhundert, aber zunächst gab es nur "zeitloses" fertig zum Gebrauch zu kaufen. Also fand man nur Leibwäsche und Herrenkleidung, da diese weniger dem Wandel unerworfen war, wie die Mode der holden Weiblichkeit. Wie also kam frau denn dann zu ihrer Kleidung?

Eigentlich ganz einfach, sie fertigte sie sich selber. Im 19. Jahrhundert war die Blütezeit der frühen Modezeitschriften, die man zum Teil für 0,35 M erwerben konnte. Gewiss die Mode darin war eigentlich an die gutbetuchten Damen gerichtet, doch so wie die durchschnittliche Frau heute, die hochglanz Bilder der Kreationen von Designern konsumiert, taten dies die Frauen damals auch. Sie versuchten die Kleider aus den Zeitschriften selber nachzunähen oder, wer es sich leisten konnte, ging damit zu seiner Schneiderin und legte ihr diese vor und gab ein Kleid in Auftrag. Doch meistens wurden keine neuen Kleider bestellt, sondern sie wurden aufgetragen und nach neuster Mode abgeändert, bis es nur noch für die arme Verwandschaft auf dem Land gut genug war.

einfachOhnehin war Konfektionsware für Oberbekleidung für Frauen recht kompliziert, denn die Frauen trugen damals Korsett und dadurch verändert sich die natürliche Figur. In Klemms Damenschneiderei von 1885 kann man für die Oberweite ein Maß von 96 cm und eine Taillenweite von 64 cm finden und lernt, dass man damit eine sogenannte "mittelstarke Figur" hat, vergleicht man dies mit heutigen Maßen und berücksichtigt, dass Frauen damals im Schnitt kleiner waren, nämlich nur 1,55 m, dürfte eine normale Figur damals einer heutigen Konfektionsgröße 42 entsprechen. Vergleicht man Schnittmuster der 1870er Jahre, dann findet man im Durchschnitt bei der Oberweite Maße von 90-96 cm und für die Taile 58-64 cm. Letztere sind natürlich dann schon korsettiert.

          Eine einfache Arbeiterfamilie in einfacher Kleidung

Das Korsett ist auch so ein Thema, welche Schichten trugen es überhaupt? Es gibt zumindest weniger steife Modelle für Hausmädchen, ich arbeite noch an einem nach einem englischen Modell von 1864. Arbeiten im Korsett war durchaus möglich, aber es bleibt der arbeitenden Frau überlassen, ob sie sich eines leisten will. Da die Kleidung der einfachen Frauen kaum erhalten sind, weil sie einfach aufgetragen worden sind, bis sie zerfielen, kann man nur an Hand weniger Fotos rekonstruieren, wie modebewusst die Frauen damals in den unteren Schichten waren. Meine Vermutung: sofern sie es sich leisten konnte, werden die Frauen immer versucht haben, mit der Mode zu gehen, wie wir es heue ja auch tun.worth

Einfacher haben wir es da mit der Kleidung der wohlhabenden Damen, vornweg die Kundinnen der Haute Couture Mode von Charles Frederick Worth. Seine Kleider und auch die von den anderen Modeschöpfern wie Emile Pingat oder Doucet waren für die meisten unerschwinglich, so wie ich mir werde nie ein Dior-Kleid leisten können, konnten das damals die aller wenigsten mit Worth & Co., denn deren Kleider konnten umgerechnet in heutige Währung 500.000 € und mehr kosten. Selbst einige Kundinnen von Worth und Pingat ließen sich ihre Kleider von Jahr zu Jahr der Mode anpassen, denn auch sie mussten mit dem Geld ihrer Gatten haushalten.


Wir sehen, auch die gutbetuchten Damen versuchten zu sparen, wenn es möglich oder notwendig war. Die Mode der 1870er und 1880er war aber eigentlich eine sehr gnädige Modeepoche, denn die Tournüren konnten und wurden auch aus einfachen Stoffen gefertigt und kunstvoll drapiert, mit etwas Geschick, war ein Tournürenkleid kein Problem für die Frauen, somal das Lernen der Näherei für Mädchen zur Ausbildung gehörten. Kaum ein Mädchen, kam um den Umgang mit Nadel und Faden, herum, kaum eine Frau, die nicht nähen konnte. So konnten sie mit etwas Geschick und Kreativität hübsche Kleider fertigen.                                                                 Charles Frederick Worth

Die Kleider der Schneider und Schneiderinnen und erst recht die Kleider aus den damaligen Haute Couture Häusern, waren handwerklich so phantastisch gearbeitet, dass man sie problemlos jahrelang tragen und abändern konnte. Viele davon können wir noch heute in Museen in Frankreich,
Deutschland, England, den USA oder auch Japan bewundern.             


Wie heute, so auch damals, der Geldbeutel bestimmte nicht nur die Ausmaße der Garderobe, sondern auch ihre Herkunft, nur eins war damals anders, Qualität und Langlebigkeit waren entscheidend, denn Kleidung wurde nicht nach einer Saison weggeworfen, wie heute oftmals, wenn man sich bei den Billigketten einkleidet. Kleidung musste halten und sie musste änderbar sein, weswegen es damals übrigens üblich war, dass Stoff und Futter, als eine Lage verarbeitet worden sind und die Stäbe herausnehmbar waren, denn nur so konnte man leicht Anpassungen und Änderungen vornehmen, und musste nicht einmal das Futter und einmal den Oberstoff ändern, so wie es heutzutage notwendig wäre, würde man Kleidungsstücke noch umarbeiten.


Innenansicht
So sieht so eine Taille damals von Innen aus.


Nachfolgend noch ein paar Beispiele für die Kleider der damaligen Zeit:

Pingat Dinnerkleid von Emile Pingat, ca. 1879

Ein Abendkleid von Worth, ca. 1886-1889  Worth

1872 Tageskleid, ca 1872, wahrscheinlich aus Frankreich.

rostock
Dies ist ein Kleid aus dem Bestand des Kulturhistorischen Museums Rostock, ein Tournürenkleid von 1870. Hier sieht man sehr schön, dass dieses Kleid nicht neu angefertigt worden war als Tournürenkleid. Die Pagodenärmel, waren zur Zeit der Krinoline in den 1860er Jahren modern gewesen, auch die kurze Taille ohne Schöße lässt mich eine Anpassung an den neuen Modetrend vermuten. Außerdem sind auch die Rockbahnen für eine Neuanfertigung insgesamt zu breit, da wurde wohl abgeändert.




Quellen:
Die Modenwelt, 1886

Das Hausfrauenbuch, 1903

Klemm, Heinrich, Schule der Damenschneiderei, 1885

weitere Bücher zum Themen Mode und Entstehung siehe Literaturliste