Ich wollte ja schon immer mal etwas historischeres in meine
Alltagskleidung bringen. Da Schleppen heutzutage nicht so
gut kommen oder übermäßig betonte Hinterteile, dachte ich
daran, dass etwas 1890er Mode ganz gut integrierbar ist.
Nach den ganzen Maxiröcken in den vergangenen Jahren, habe
ich mir nun einen Rock nach einem Schnitt für 1898 genäht.
Im Englischen ein Walking Skirt (der Schnitt ist mal wieder
von Truly Victorian), keine Schleppe, aber ein toller
schwingenden Rock kam heraus und er ist knöchellang, würde
definitv als Maxirock durchgehen.
Der Rock besteht aus Twill, wodurch er ein wenig jeansartig
aussieht, aber als Stoff durchaus geeignet für ein
Promenadenkostüm. Die Farbe meiner Wahl wurde schwarz und
gefüttert ist der Rock mit einem leichten schwarzen
Baumwollbatist und der Saum ist von innen noch mit einem
Beleg besetzt, so wie frau es damals auch gemacht hätte.
Wie immer war das Schnittmuster leicht zu verarbeiten und
ich hatte mich schon gefreut, ihn Anfang Juni zum WGT
Auftakt zu tragen, aber dann kam dieser dumme Virus und nun
ist alles abgesagt. Naja zum Einkaufen kam er schon ein paar
Mal an die frische Luft.
Im Februar begonnen, kaum
das ich in Leipzig angekommen war und mich ein wenig in die
neue Berufspraxis eingewöhnte. Nun, die erste Nahte war
promt falsch angesetzt, so dass ich dieses Mal tatsächlich
eine Naht auftrennen musste. Dummerweise hatte ich das eine
Seitenteil falsch herum an die vordere Rockbahn angenäht
gehabt. Das kommt davon, wenn man einen Schnitt das erste
Mal verwendet und es nicht für nötig hält sich nochmal zu
vergewissern, dass die richtigen Schnittteile
zusammengesetzt werden.
Unterstützung hatte ich zu dieser Zeit
glücklicherweise auch gefunden gehabt. Schon lange war ich
auf der Suche nach dem Buch "Ich kann schneidern", Bedingung
war, es musste bezahlbar sein und alt genug, meine Ausgabe
erfüllt beides, so einigermaßen. Zum Nachschlagen und
Nachlesen ist dieses Buch für mich auf jeden Fall
praktischer als jede Burda Nähschule, denn ich suche ja
gerade die alten Verarbeitungstechniken.
Ach ja, der Schnitt sah eigentlich keine Rocktaschen vor,
aber ich brauche welche, also wurden in jeder Seitennaht
Taschen eingesetzt. Den Grundschnitt hatte ich noch von
einem älteren Schnitt von Truly Victorian, wie ich die
einsetzen sollte, habe ich dann gleich in dem Buch nochmal
nachgelesen.
Der Rock war soweit fertig zusammengenäht, die Nähte sogar
mal auseinander gebügelt, wie es sich eigentlich auch
gehört, aber ich hasse bügeln und so schiebe ich das immer
ganz weit vor mich her. Und da meine Marie noch nichts aus
dem späten 19. Jahrhundert zum Anziehen hatte, musste der
Rock eben zum Empire probiert werden.
Mit der richtigen Anleitung, einem Bügeleisen und
sorgfältiger Arbeit, kriegt man eine Tasche auch per Hand
fast unsichtbar eingesetzt.
Ein Blick auf die
Innenseite des Rockes zeigt, dass Stoff und Futter als eine
Lage verarbeitet sind und die Nahtkante entsprechend
versäubert wurde. Diese Technik nutze ich auch bei Taillen
immer, so trennt man nur eine Naht auf, um etwas abzuändern,
statt zwei Nähte.
Das wird der Beleg für den Verschluss. Eigentlich steht das
bei jeder Anleitung, dass man einen machen soll, ich
überspringe diesen Schritt aber immer. Nur dieses Mal wollte
ich das auch mal machen, nachdem ich in einer
Facebook-Gruppe sah, wie ordentlich das aussehen kann.
Das wird der Beleg für
den Rocksaum, dadurch wird der Saum etwas versteift und
soll das Treppen steigen erleichtern. Rock anheben ist
aber trotzdem Programm, dafür hat man ja knöchellange
Röcke, oder?
Hier noch ein Blick zum
Verschluss, durch den Beleg beim Verschluss sind die
Rockkanten auf Stoß beim Verschließen, dadurch beult die
Naht dann nicht.
Und zum Abschluss: der fertige Rock
getragen, auf meiner Facebook-Seite gibt es ein
kleines Video in Bewegung.