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Tageskleid »Luciana«, 1846
Mein neues Großprojekt, Großprojekt im
wahrsten Sinne des Wortes, denn nicht nur das Kleid,
auch die darunter zu tragende Wäsche aus unzähligen
Unterröcken, Korsett, Chemise und Beinkleid sind
ebenso anzufertigen.
Ganz am Anfang stand natürlich erst einmal Recherche,
schließlich betrete ich mit diesem Kleid eine neue
modische Epoche, die den Anfang für die späteren
gigantischen Krinolinenkleider bildet. Doch dieses
hier wird keinen Rocksaum von 10 m haben und bisher
ist auch kein Krinolinenkleid mit einer Krinoline aus
Federstahl geplant, schließlich bin ich ja auch bei
den Tournüren bei den wenigen Jahren hängen geblieben,
die keine große Rockunterkonstruktionen benötigen. Nun
ja, mindestens vier Unterröcke, darunter einen mit
Schnüren versteift, werde ich dennoch anfertigen
müssen für dieses Kleid.
Wie man sieht, wird es wieder ein Kleid in rot, allerdings in
dunkelrot mit schwarzer Spitze am Kragen und den
Manschetten. Der Stoff wird aus Frankreich importiert,
die Spitze und den Futterstoff habe ich im Vorrat,
auch Paspelband habe ich "auf Lager" so benötige ich
dafür keinen Stoff. Da der Stoff nach 25 cm
abgerechnet wird, werde ich da mal genau nachmessen,
der Stoff liegt auch nur 112 cm breit, dadurch werde
ich einige Meter mehr benötigen, als sonst, wenn der
Stoff 140 cm breit liegt. Aber was tut man nicht
alles, wenn man partout Baumwollsatin haben möchte und
diesen Stoff in der gewünschten Farben hierzulande
nicht erhält und wenn dann nur mit Elasthan oder
Polyester beigemischt.
Die Stoffprobe
von meinem Wunschstoff ist auch schon aus der Provence
eingetroffen, die Farbe passt, die Qualität fühlt sich
gut an, der Stoff wird auf jeden Fall bestellt werden.
Dann bin ich mal gespannt, wie lange ein Paket aus
Südfrankreich bis nach Mitteldeutschland benötigt. Da
ich ja eine enorme Schwäche für Frankreich habe, wird
das Kleid nun noch mehr Freude bereiten. Etwas
verrückt? Ganz bestimmt, noch toller wäre es ja
gewesen, wenn ich den Stoff hätte direkt vor Ort
persönlich kaufen können, aber die
Pandemie-Reisebeschränkungen verhindern das. Aber
eines ist gewiss, mein nächster Urlaub in Frankreich
wird mit mehr als einem Tag in historischer Kleidung
ablaufen.
Nun da die ursprüngliche Inspiration zu diesem Kleid
eigentlich ein Kapitel aus einem meiner
Lieblingsbücher entsprang, wurde das Kleid auf den
Namen der weiblichen Hauptperson in diesem Kapitel
benannt "Luciana". Es wäre schön gewesen, vielleicht
wird es das auch noch, wenn ich Pech habe, dieses
Kleid dieses Jahr in Rom zu tragen. Aber Rom ist
gerade etwas wacklig, denn wenn ich Glück habe,
bekomme ich eine Karte für ein Spiel der All Blacks in
Paris und dann tausche ich Rom gegen Paris :-D. Man
muss Prioritäten setzen und meine Jungs live in meiner
"Nähe" spielen zu sehen, hat eindeutig eine höhere
Prio als eine Woche Rom.
Tja, es ist nun endgültig "Luciana" wird in Paris
ausgeführt werden, da ich noch eine Karte für die All
Blacks bekommen habe, ach ich bin so mega happy
darüber, wird das Kleid halt an der Seine flanieren
müssen. Morgens Krinolinenkleid und abends im
Rugby-Trikot. Auch beim Stoff musste ich nochmal etwas
ändern, der ursprüngliche Stoff ist leider ausverkauft
und somit werden die 3,5 m die ich schon
habe in ein anderes Projket wandern und für Luciana
habe ich nun 8 yards cranberryroten Baumwollsatin
bekommen, auch EU-Einfuhr, allerdings Lettland und
auch die letzten Meter. Und wie man sieht, sehen die
Farben identisch aus, Glück muss man haben.
Im Haus meiner Oma habe ich eine hübsche Quastenborte
gefunden, die farblich
sehr gut zu meinem Tageskleid passen könnte. Erst
dachte ich, ich könnte damit die Pelerine besetzen,
doch dafür ist die Menge zu kurz, aber für Ärmel wird
es reichen, also werde ich diese Borte, nachdem die
Quasten gebürstet sind, an die Oberärmel nähen. Bei
meiner Recherche habe ich etliche Kleider gefunden,
die an den Oberärmeln auch Fransenborten hatten,
teilweise auch mit kruzen Fransen und da passen doch
dann Quasten auch ganz gut.
Etwas
ungewöhnlich, das ich direkt mit den Ärmeln beginne,
statt mit der Taille oder dem Rock. Tatsächlich ist
der Rock dieses Mal, das letzte Teil des Kleides, dass
eine Nähnadel sehen wird.
Die Ärmel sind abgefüttert, zumindest die langen, die
kurzen Überärmel blieben ungefüttert. Dafür kam an
ihnen die gesamte Dekoration der Ärmel, zunächst eine
Paspel und dann die Fransenborte. Gerade bei
ungefütterten Teilen ist es immer etwas tricky Borten
so anzunähen, dass die Stiche auf der anderen Seite
nicht sichtbar sind, aber hier hat die
Saumversäuberung gute Dienste getan, beide Besätze
sind genau am Saum angebracht, so fällt es nicht auf.
Und ich muss sagen, die Fransenquastenborte macht sich
wirklich gut. Viel hatte ich von der Borte ja nicht,
aber für die Ärmel hat es gereicht, ich weiß gerade
nicht, wieviel ich davon noch habe, aber sollte ich
noch etwas haben, würde ich es auf eine Handtasche
tun, damit sich die Borte auch dort wiederfindet. Für
die Pelerine wird es definitiv zu wenig sein.
Nachdem beide
Ärmel fertig waren, habe ich mch an das Futter des
Oberteils gemacht. Warum erst das Futter? Ganz
einfach, auf dieses wird später die äußere Schicht
angebracht. Da ich eine das Vorderteil mit einer
Fächerraffung machen werde, muss ich den Baumwollsatin
für die äußere Lage separat bearbeiten. Nachdem ich
dann auch gleich die Stäbe eingearbeitet hatte, habe
ich festgestellt, dass dieses Kleid echt ein Traum für
meine Rundungen wird.
Anschließend habe ich mich daran gemacht, die Fäden
für die Raffung einzuziehen. 17 Reihen je Seite, das
war ganz schön anstrengend und leider sind sie auch
nicht perfekt gleichmäßig geworden. Daher wurde es
dann doch keine Smoke-Raffung, aber es sieht dennoch
gut aus und nicht, als
wäre es eine
reine Katastrophe. Gefühlt habe ich für die Raffung
erstellen Tage oder Wochen gebraucht. Am Ende war es
sicher nicht so, aber es fühlte sich so an, weil man
nicht wirklich gesehen hat, wie das Kleid wächst, da
man ständig an den selben beiden Schnittteilen
gearbeitet hat.
Aber als die erste Hälfte fertig war, konnt man schon
besser sehen, dass es sich machen wird. Eventuell sind
am Ende die Ärmel zu lang, da die Ärmel recht tief
angesetzt werden, aber dann werde ich nochmal eine
Biesenfalte in die Ärmel, unterhalb der kurzen
Überärmel einarbeiten, damit die Armlänge wieder
stimmt. Aber das werde ich erst sehen, wenn die Taille
des Kleides wirklich fertig ist.
Als endlich
die Raffung gesichert war, konnte ich die Paspel
stecken. Sie wird am Saum, am Kragen und den
Ärmelöchern entlang führen. Ich habe auch gleich mal
die tolle schwarze Spitze aufgelegt, aber leider
musste ich nach Rückfragen bei erfahrenen Näherinnen
für diese Epoche und weiterer Recherche feststellen,
dass schwarze Spitze nicht wirklich ein Ding waren in
den 1848ern, also bleibt die Spitze weg, für die habe
ich nun schon anderweitig eine Verwendung gefunden.
Als nächstes muss nun also erst einmal überall die
Paspel angenäht werden und dann muss ich die Ärmel
einsetzen.
Paspeln sehen
immer sehr schön aus, bei Samt sind sie etwas knifflig
einzunähen, aber Samt hatte ich hier ja nicht. Nachdem
am Saum der Taille, dem Kragen und den Ärmeln die
Paspel angenäht war, habe ich die Ärmel eingesetzt.
Ich hatte ja
die Befürchtung, dass die Ärmel viel zu lang sein
könnten, wenn dem so gewesen wäre, dann hätte ich den
Ärmel unterhalb des Überärmels eingekürzt, aber sie
passten sehr gut.
Die
Verschlüsse werde ich allerdings erst zum Ende
einsetzen, wenn der Rock auch fertig angebracht ist,
denn dann kann ich am besten entscheiden, wie weit die
Taille überlappen wird.
Und einmal
angezogen, bis auf das Handgelenk reichen die Ärmel
nun. Für mich eine gute Länge. Vielleicht einen Hauch
zu lang, aber auch das werde ich noch einmal testen,
wenn alles fertig ist.
Nachdem nun die Taille, bis auf die Verschlüsse,
fertig ist, geht es nun weiter mit dem Rock, das wird
ein Kampf der Stoffmassen. Außerdem ist
der Rock kunterbunt, zumindest das Futter. Da ich
nicht genug Futterstoff in einer Farbe hatte und ich
meine Vorratskisten leeren will, habe ich genommen was
ich hatte und so wird der Futterrock tricolor.
Es fühlte sich
irgendwie an, wie eine Ewigkeit angefühlt, die zwei
Reihen Kräuselband einzuziehen. Wobei das Schlimmste
war eigentlich die Markierungen zu setzen, damit alles
denselben Abstand hatte, damit die
Stiftelfalten/cartridge pleats am Ende so aussahen.
Von nun an, war es nur noch ein Katzensprung, bis das
Kleid fertig war, denn nun musste der schwere Rock nur
noch an das Oberteil genäht werden und dann war es
tatsächlich vollbracht.