Schon lange schlich ich um ein Schnittmuster für ein Kleid der 1920er herum und nun habe ich es mir doch endlich bestellt und werde es nähen. Doch bevor dies geschieht, meine Nähliste ist ja lang genug, hier erst einmal ein kurzer knapper Überblick über die Mode der 1920er Jahre.
Wer kennt sie nicht die knielangen, röhrenartigen Kleider, Kurzhaarfrisur? Das ist wohl das typische Bild der Frau in den 1920er, modisch gekleidet im Garconne Style, so dass Frauen androgyn wirkten und Frau es erstrebenswert empfand jungenhaft zu wirken. Unerlässlich eine schlanke Figur und möglichst wenig weibliche Kurven. Da das Korsett verschwunden war, allerdings trug man gerne elastische Trikotkombinationen die in der Lage waren den Busen abzuflachen, worin man irgendwie auch wieder eine Körperformung sehen kann, nur das hier nicht mehr die Taille geschnürt wird für besonders weibliche Kurven sondern, Kurven weggebunden wurden für einen möglichst knabenhaften Körper. Die Taille bedurfte keiner Einschnürung, da sie immer weiter auf die Hüfte rutschte. Hosen wurden ebenso modern für Frauen, wie der Verzicht auf ihr langes wallendes Haar und lange Röcke und statt der übergroßen fast wagenradartigen Hüte, kam die kleine Cloche-Hutform in Mode, der sehr klein und enganliegend, fast topfartig war. Nach wie vor galt, ein Hut beim Verlassen der Wohnung als unverzichtbarer Bestandteil der Damenmode, übrigens trugen auch die Herren stets Hut.
Die Abkehr von den langen Röcken war eine Folge der immer stärkeren Berufstätigkeit der Frauen während des Ersten Weltkrieges gewesen. Während dieser Zeit mussten die Frauen quasi ihren Mann stehen und wollten sich im Frieden einige der Freiheiten nicht nehmen lassen. Außerdem konnte nun, durch die schlichte Verarbeitung Kleidung maschinelle hergestellt werden. Da die Röcke nun kürzer wurden, wurde das Augenmerk nun auch auf Strumpfwaren und Schuhwerk gelegt, schließlich konnten die Frauen nun weder ihre Beine, noch ihre Schuhe unter langen weiten Röcken verbergen.
Jede neue Mode rief freilich ihre Kritiker auf den Plan, die Anstand und Moral verloren glaubten im Rostocker Anzeiger von 1925 konnte man das folgende lesen:
"Für den kommenden Sommer werden die Kleider in einer geradzu katastrophalen Kürze auf den Plan kommen, ... bis auf das Rückgrat ausgeschnittenen Toiletten, die am Knie enden,... der Bubbikopf, diese unweiblichste aller Modenarrheiten ..."
Doch was konnte Frau tun, wenn sie sich so gar nicht mit dieser knabenhaften Mode anfreunden konnte? Nun diese Damen orientierten sich modisch eher an der Robe de Style /Stilkleid, welches von Jeanne Lavin maßgeblich entwickelt worden war. Diese Kleider orientierten sich an der Mode des 18. Jahrhunderts, die Röcke waren allerdings ebenfalls waden- bis knielang. Während die Röcke sehr glockig geschnitten waren und teilweise mit Panier getragen wurden, saßen die Taillen tief oder wenigstens auf Höhe der natürlichen Taille. Die Oberteile konnten ebenso gerade geschnitten sein wie beim Garconne Stil oder aber auch tailliert geschnitten werden und so die weibliche Figur mehr betonen.
Auch wenn Mode Konfektionskleidung längst selbstverständlich war und die Maßanfertigung mehr und mehr verdrängte, boten Schnittmusterhersteller wie McCalls's, Butterick (beide USA) aber auch die Modemagazine weiterhin Schnittmusterbögen und Einzelschnittmuster für den Heimgebrauch an.
Aber nicht nur die Oberkleidung änderte sich gravierend, auch die Unterbekleidung erfuhr einschneidende Neuerungen. Statt mehrere Lagegen verschiedenster Wäschestücke, wurde die Unterwäsche auf ein Minimum reduziert. Feine leichte Hemdhosen übernahmen nun endgültig die Oberhand, je nach Rocklänge mit immer kürzeren Beinen und je nach Ausschnitt und Gelegenheit des Oberkleides mit schmalen Trägern und auch die ersten BHs wie wir sie heute kennen hatten ab 1914 ihren Siegeszug angetreten.
Kleid aus dem Hause Lanvin (MET Museum)
Robe de Style Kleid, 1926
Korselett, 1920er
Nun, da auch das Korselett fertig ist, habe ich entschieden, dass dies mein letztes Kleidungsstück aus den 1920ern sein wird. Der Stil ist einfach nicht gemacht für mich, daher sage ich mal bye-bye 1920er Jahre.
Quelle:
"Drunter & Drüber - Drei Jahrhunderte Mode in Rostock", Annelen Karge, Kulturhistorisches Museum der Hansestadt Rostock, Ausstellung 2000/2001
"Das große Bilderlexikon der Mode" Kybalová, u.a., 1981
"Mode im 20. Jahrhundert - Eine Kulturgeschichte unserer Zeit", Loschek, Ingrid, 1988