Nach langer Zeit war es mal wieder Zeit, einen Satz Leibwäsche zu nähen: Beinkleid, Chemise und Korsettleibchen. Ich glaube das letzte Mal, das ich viktorianische Wäsche auf dem Nähplan hatte, war zu meinem Jagdkleid und das ist über zehn Jahre her und dieses Mal geh ich auf die Vollen, nicht nur Spitzenverzierung auch Biesen sollen genäht werden.
Das neue Set wurde aus feinem, leicht transparenten Baumwollbatist genäht und als Schnittmuster kam wieder Laughing Moon zum Einsatz. Ich liebe dieses Schnittmusterpaket. Nach dem letzten Mal war das Seidenpapier so demoliert, dass ich mich davon trennen musste, daher habe ich mir den Schnitt nochmal gekauft und war sehr positiv überrascht, denn mittlerweile ist der Schnitt auf stabilerem Papier gedruckt und auch die Verpackung ist nicht mehr in A5 Größe sondern beinah A4 - doppelt Pluspunkte für einen Schnitt der sowieso schon toll ist.
1. Beinkleid
Angefangen habe ich mit dem Beinkleid, das Unterste zu erst und gleich am Anfang standen die Biesen. Die Kanten der Biesen habe ich mit blauem Heftfaden markiert, das hat zwar gedauert, aber war am Ende hilfreicher, als es mit einem Markierstift vorzuzeichnen, außerdem konnte ich so auch mal Garn aufbrauchen, das ich farblich eh nie brauchen werde.
Nach dem Heften habe ich dann die Biesen gelegt und dafür alle meine Stecknadeln aufgebraucht und das für nur ein Bein. Es war mühevoll die Falten so zu legen, das sie gleichmäßig breit sind, denn so viel Erfahrung habe ich mit Biesen noch nicht, aber am Ende hat es sich gelohnt gehabt und es sieht wirklich hübsch aus.
Und nach zwei Tagen Arbeit war das erste Bein fertig, mit Spitze besetzt und gebügelt. Ich musste natürlich sogleich das Bein anprobieren um zu sehen, wie es aussehen würde. Nachdem ich zufrieden bin, habe ich mich an das nächste Bein gemacht und dann wurden die einzelnen Beine an einem Miedergürtelband genäht, aber nur an der oberen Kante, ansonsten sind die Beine nicht miteinander verbunden. Offene Beinkleider waren für die damalige Zeit üblich, denn mit Korsett und Rockunterbauten sind offene Beinkleider am praktischsten und keine Sorge, es ist nicht zugig.
2. Chemise
Nach dem Beinkleid habe ich die Chemise genäht. Eine Chemise ist wohl eines der Kleidungsstücke, welches von Frauen seit dem Mittelalter getragen wurde, zwar in den verschiedensten Varianten, aber der grobe Schnitt hat sich kaum verändert. Auch die Chemise bekam Biesen und die Spitze findet sich am Ausschnitt und den Ärmeln wieder.
Zuerst musste ich erst einmal suchen, wo meine drei Schnittteile waren. In dem ganzen Wirrwarr war das gar nicht so einfach. Also erst die Linien finden und nachfahren, bevor ich sie auf das Kopierpapier übertrug.
Hier einmal die Passe der Chemise, sie ist zwar grundsätzlich sehr weit, aber dennoch hat sie einen Verschluss, ich habe mich hier für Haken entschieden, weil ich kein Knopfloch nähen wollte, die würden noch zu genug beim Unterrock kommen.
Biesen über Biesen ... an der Chemise und am Beinkleid, die einen folgen den anderen. Es ist eigentlich sehr schade, dass die Biesen am Ende niemand sehen wird.
3. Untertaille
Zu guter Letzt kam dann noch das Korsettleibchen auf den Plan. Dieses wird über dem Korsett getragen, um die obere Kante ein wenig abzumildern, damit sie unter der Taille nicht so sehr sichtbar wird. Hierfür habe ich mich für einen Schnitt aus dem Buch der Wäsche entschieden. Das Buch ist ein Reprint aus der Zeit um 1900, alle Schnitte sind natürlich auf Schnittmusterbögen gedruckt, wer Burda kennt, kann sich schon jetzt denken, was für eine Puzzlearbeit das noch wurde.
Ich hatte wirklich die Qual der Wahl und habe mich für das Modell rechts entschieden, weil es eigentlich recht einfach aussah und hübsch dazu.
Und hier habe ich alle benötigten Teile gefunden und fertig kopiert und beschriftet.
Die nächste Herausforderung lag dann darin die Schnittteile auf die richtige Größe zu kriegen, denn der Schnitt liegt in nur einer einzigen Größe vor.
Die fertigen Schnittteile und die originale Nähanleitung. Die paar Sätze waren alles, was es dazu gab, das ist fast mehr, als ich zu manchen größeren Schnitten erhalten habe. Aber dann endlich konnte ich die Teile aus dem Baumwollstoff zuschneiden und zusammennähen.
Besetzt habe ich die Taille mit einer Klöppelborte aus Leinen und einer Durchzugspitze aus Baumwolle, durch die ich ein mitternachtblaues Band gezogen habe, passend zu dem geplanten Tageskleid.